Ministertreffen ohne Erfolg – Ukraine-Krieg geht weiter

Dmytro Kuleba, ehemaliger ukrainischer Aussenminister.

Kiew / Antalya – Im Ukraine-Krieg ist auch nach einem Schlichtungsversuch auf hochrangiger Ebene kein Weg zum Frieden in Sicht. Ein Treffen des ukrainischen Aussenministers Dmytro Kuleba mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow in der Türkei brachte am Donnerstag keine wesentlichen Fortschritte. Zwei Wochen nach Beginn des russischen Angriffs auf das Nachbarland gelang es nicht, eine zumindest zeitweilige Waffenruhe oder auch nur weitere Fluchtkorridore zu vereinbaren. Das betrifft auch die seit Tagen von russischen Truppen eingeschlossene Hafenstadt Mariupol, wo die Lage nach Angaben der Stadtverwaltung immer dramatischer wird.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron forderten in einem etwa einstündigen Telefonat den russischen Präsidenten Wladimir Putin erneut zu einer sofortigen Waffenruhe auf.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nannte es wichtig, den Sanktionsdruck auf Russland zu verstärken. Von einem angeblichen Treffen Putins mit Altkanzler Gerhard Schröder in Moskau hatte die Bundesregierung keine Kenntnis. Das Portal «Politico» berichtete, für einen Vermittlungsversuch sei Schröder in Moskau. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.

Putin hatte am 24. Februar den Angriff auf die Ukraine gestartet. Nach UN-Angaben wurden bereits mehr als 500 Zivilisten getötet. Die Ukraine geht von viel höheren Opferzahlen aus. Mehr als zwei Millionen Menschen sind auf der Flucht. Seit Kriegsbeginn gab es zwar Gespräche von Unterhändlern über zeitweilige Feuerpausen. Das Aussenministertreffen in der Türkei war aber der erste hochrangige Verhandlungsversuch. Die Türkei war als Vermittler dabei.

Die Ukraine hatte bei dem Treffen in Antalya klar gemacht, dass sie grundsätzlich über Möglichkeiten für ein Ende des Konflikts reden wolle. Lawrow erklärte anschliessend aber, das richtige Forum dafür seien die bereits begonnenen Gespräche in Belarus, dem eng mit Russland verbündeten gemeinsamen Nachbarland. Lawrow warf dem Westen vor, mit Waffenlieferungen an Kiew den Konflikt zu verschärfen.

Kuleba: Lawrow nicht in der Lage, Fluchtkorridore selbst zu vereinbaren
Kuleba beklagte, Lawrow sei nicht in der Lage gewesen, selbst Fluchtkorridore zu vereinbaren, auch nicht für die besonders schwer leidende Hafenstadt Mariupol. Es sei auch über eine 24 Stunden lange Waffenruhe gesprochen worden, aber: «Wir haben keinen Fortschritt in dieser Frage erzielt. Denn wie es scheint, werden diese Entscheidungen von anderen in Russland getroffen.» Sowohl Lawrow als auch Kuleba zeigten sich grundsätzlich bereit für weitere Gespräche.

Als Bedingung für eine Einstellung der Gefechte fordert Russland, dass sich die Ukraine in ihrer Verfassung für neutral erklärt. Zudem müsse Kiew die annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim als russisch sowie die Separatistengebiete Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten anerkennen. Beide Seiten hatten zuletzt eine gewisse Kompromissbereitschaft angedeutet. Doch betonte Kuleba: «Die Ukraine hat sich nicht ergeben, ergibt sich nicht und wird sich nicht ergeben!» Kiew sei bereit für diplomatische Lösungen.

Auf Mariupol gab es am Donnerstag nach Angaben der Stadt neue Luftangriffe. In der Nähe eines Wohnhauses seien Bomben abgeworfen worden, die Technische Universität nahe dem Zentrum sei getroffen worden. Moskau weist stets zurück, zivile Ziele anzugreifen. Bei einem Angriff auf das Gebäude einer Geburtsklinik in Mariupol am Mittwoch sind nach Angaben der Stadt drei Menschen getötet worden. Die Ukraine macht Russland verantwortlich. Moskau wies das zurück und sprach von «Falschnachrichten». Selenskyj nannte russische Angaben eine Lüge, wonach dort ultraradikale Kämpfer stationiert gewesen seien. Angaben beider Seiten liessen sich nicht unabhängig überprüfen.

Ukraine hofft weiter auf MiG-29
Die Ukraine hofft auf weitere Waffenlieferungen aus Deutschland, wie Botschafter Andrij Melnyk sagte. Trotz Absage der US-Regierung gibt Melnyk auch die Hoffnung auf Lieferung von MiG-29-Kampfjets nicht auf. Polen ist bereit, die Flugzeuge den USA bereit zu stellen mit dem Ziel, sie in die Ukraine zu bringen. Die US-Regierung lehnt dies ab, weil sie eine Verwicklung der Nato in den Krieg befürchtet. Das US-Repräsentantenhaus billigte aber 13,6 Milliarden Dollar (12,3 Mrd Euro) Hilfen für die Ukraine. Die USA verlegten zudem vorsorglich zwei «Patriot»-Raketensysteme von Deutschland nach Polen.

Seit Kriegsbeginn am 24. Februar sind nach UN-Angaben mehr als zwei Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Davon kamen allein 1,43 Millionen Menschen in Polen an, wie die dortigen Behörden zählten. In Deutschland haben die Behörden inzwischen fast 100 000 Flüchtlinge registriert. Da keine festen Grenzkontrollen an EU-Binnengrenzen stattfänden, könne die Zahl weit höher sein. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) wollte in Polen über mögliche Unterstützung beraten.

Russland droht mit Verstaatlichung westlicher Firmen
Westlichen Unternehmen, die Russland wegen des Krieges verlassen, droht eine Verstaatlichung ihres Vermögens in Russland. Die russische Regierung arbeite an Schritten, um eine Insolvenz der Unternehmen und dann eine Nationalisierung des Besitzes in die Wege zu leiten, sagte der Ex-Präsident und Vize-Chef des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew. Viele westliche Firmen hatten mitgeteilt, dass der Betrieb ausgesetzt werde. Von Einstellung oder Rückzug war zumeist nicht die Rede. Um Folgen der Sanktionen für Unternehmen in der EU zu mildern, will die EU-Kommission die Beihilferegeln anpassen.

Die Ölpreise legten erneut kräftig zu, die Spritpreise in Deutschland schiessen weiter in die Höhe. Nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) dämpft der Krieg die Konjunkturaussichten für den Euroraum und heizt die Inflation an. Die EZB erwartet in diesem Jahr nun eine Teuerungsrate von 5,1 Prozent. In den USA stiegen die Verbraucherpreise im Jahresvergleich um 7,9 Prozent. (awp/mc/ps)

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