Zürich – «Die Zeiten, in denen die Massenmärkte den Gesetzen von Wohlstand, Verführung durch breite Werbung und Grösse gehorchten, sind vorbei», kommentiert Dr. Mirko Warschun, Handels- und Konsumgüterexperte bei A.T. Kearney eine Untersuchung der Managementberatung: „Wir erleben zurzeit eine radikale Verschiebung der Marktmechanismen hin zu einer Welt, in der Vertrauen, Personalisierung und einzelne Influencer den Ausschlag geben.»
A.T. Kearney hat in der umfangreichen „Global Future Consumer“-Studie mehr als 7000 mehrheitlich „zukünftige Kunden“ (Generation Z, Millenials, Generation X) in den USA, Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, Japan, Indien und China zu Präferenzen und Konsumverhalten befragt. Die Ergebnisse zeigen, was die Kunden von Morgen bewegt und weisen auf regionale Unterschiede hin. Zentrale Botschaft: die grossen Player haben eklatanten Nachholbedarf beim Zukunftsthema Vertrauen.
Demografischer Wandel, neue Werte und Hyper-Connectivity
Die wichtigsten Treiber auf dem Weg zur Konsumwelt von morgen sind demografischer Wandel, neue Werte und Hyper-Connectivity: Im Jahr 2027 wird ein Drittel der Menschheit zur Generation Z (geboren zwischen 1998 und 2016) gehören. Die Wertevorstellungen dieser zukünftigen Zielgruppe (Respekt, Social Entrepreneurship und hohe Eigenverantwortlichkeit) haben sich auf digitalen Plattformen herausgebildet. Soziale Gerechtigkeit, Schutz des Klimas wie auch Individualität prägen ihr Einkaufsverhalten. Ihre Welt ist „hyper-connected“: Bereits im Jahr 2016 waren 2,8 Milliarden in den sozialen Netzwerken miteinander verbunden. 44 Prozent aller weltweit Befragten sind in sozialen Netzwerken aktiv. In China und Indien liegen die Zahlen noch höher.
Vertrauen essentiell
Aus der Studie lassen sich drei Prinzipien für die Konsummuster von morgen ableiten: Erstens wird Vertrauen zur wichtigsten Grundlage für die Geschäftsbeziehung. Für grosse Unternehmen und Marken ist es indes immer schwieriger geworden, das Vertrauen ihrer Kunden zu gewinnen oder zu halten. Während vor fünf Jahren 30 bis 40 Prozent der Befragten von wenig oder keinem Vertrauen in die grossen Player sprachen, geben mittlerweile 50 bis 60 Prozent weltweit an, ihnen nicht oder nur wenig zu vertrauen. Weitere Brisanz erfährt der Vertrauensverlust durch die Vorliebe besonders junger Konsumenten für Marken, die die Umwelt schützen und sich für soziale Belange einsetzen (mehr als 70 Prozent sind bereit einen Aufpreis zu zahlen).
Besonders in den westlichen Ländern Grossbritannien, Frankreich, USA und Deutschland ist das Vertrauen innerhalb der vergangenen fünf Jahre stark gesunken, während grosse Marken in China und Indien immer noch ihre „Coolness“ und Qualitätsmerkmale ausspielen können.
Einzelne Stimmen beeinflussen ganze Märkte
Das zweite Prinzip der zukünftigen Konsumwelt, digitale Einflussnahme, führt dazu, dass in Folge permanenter Vernetzung einzelne Stimmen ganze Märkte beeinflussen können. Schon heute ist klar: Macht hat, wer die Influencer im Netz auf seiner Seite weiss. 54 Prozent der Generation Z Befragten geben an, dass sie sich in ihren Kaufentscheidungen von Bloggern und Vloggern beeinflussen lassen.
Personalisierung ist das dritte Prinzip, das die Unternehmen lernen müssen. Damit wird Big Data für individuell massgeschneiderte Angebote zum zukünftigen Erfolgsfaktor. 30 bis 45 Prozent der befragten Kunden sind weltweit bereit, ihre Daten einem Unternehmen mitzuteilen, wenn sie im Gegenzug zum Beispiel personalisierte Ernährungsempfehlungen erhalten. Mit regionalen Unterschieden: die höchste Bereitschaft ist in China (45 Prozent), USA (41 Prozent) und Grossbritannien (40 Prozent) zu finden, die grösste Zurückhaltung üben die Deutschen (33 Prozent).
„Wir erleben zurzeit eine weltweite Verschiebung vom Affluence- zum Influence-Modell“, fasst Warschun den Wandel zusammen. Definierten sich die Kunden in der alten Welt über ihren Besitz und konnten Unternehmen mit statischen Geschäftsmodellen und einer „one size fits all“-Marketingstrategie, die den grossen Trends folgt, die Kundenbedürfnisse ausreichend gut befriedigen, verlangt das Influence-Modell stark ausdifferenzierte Vorgehensweisen, die auf viele einzelne Influencer setzen und die Signale der Kunden sofort verstehen und umzusetzen wissen.
„Nischenmarken, die für Authentizität und Werte stehen und Social Influencer Marketing perfekt beherrschen, machen den grossen Playern Marktanteile streitig“, warnt Warschun. Doch auch grosse Brands hätten Chancen im Influence Modell, wie der Sportwarenhersteller Adidas zeige: „Mit Micro Influencern und der Einbindung von Sportlern, Kunden und Geschäftspartnern entstehen vertrauensstiftende Communities“.
Darüber hinaus empfiehlt er, um verloren gegangenes Vertrauen wieder zu gewinnen: mehr Qualität als Quantität und ein eng definiertes Leistungsversprechen anstelle einer breiten Angebotspalette. (A.T.Kearney/mc)