Wien – Bei der wichtigsten Wahl dieses Jahres in Österreich haben die Sozialdemokraten in der Hauptstadt Wien laut ORF-Hochrechnungen deutlich gesiegt. Die rechte FPÖ erlebte dagegen ein historisches Debakel. Die SPÖ von Bürgermeister Michael Ludwig kommt in ihrer Hochburg demnach auf 42 Prozent der Stimmen – das ist ein Plus von 2,4 Prozentpunkten im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren.
Die Rechtspopulisten büssten den Angaben zufolge im Vergleich zum Rekordergebnis von 2015 mehr als zwei Drittel ihrer Wähler ein und kamen auf nur noch 7,7 Prozent (minus 23,1 Prozentpunkte). Ein Grund dafür ist die Zersplitterung des rechten Lagers. Der ehemalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache trat mit einer eigenen Liste an und dürfte mit 3,6 Prozent an der 5-Prozent-Hürde scheitern.
ÖVP rückt vor
Die Grünen steuern mit 14,1 Prozent (plus 2,3 Prozentpunkte) in die Nähe ihres Rekordergebnisses. Die konservative ÖVP feierte grosse Zugewinne – nach einem schlechten Abschneiden vor fünf Jahren. Sie kletterte um 9,5 Prozentpunkte auf 18,8 Prozent. «Wir sind von Platz vier auf Platz zwei vorgerückt und haben den grössten Zugewinn in der Geschichte der ÖVP erreicht», sagte Spitzenkandidat und Finanzminister Gernot Blümel. ÖVP-Chef und Bundeskanzler Sebastian Kurz wies darauf hin, dass es die achte erfolgreiche Landtagswahl für die ÖVP in Folge sei.
Neos bei knapp acht Prozent
Passabel schlugen sich die liberalen Neos mit einem leichten Zugewinn auf knapp acht Prozent. Die Neos wollen nach bisherigen Aussagen unbedingt als Juniorpartner eine Koalition mit der SPÖ eingehen. Seit 2010 wird die Stadt mit ihren fast zwei Millionen Einwohnern von einem rot-grünen Bündnis regiert. Das Verhältnis unter den Koalitionären gilt aber als angespannt. Den Sieg von Ludwig, der 2018 die Nachfolge von Langzeit-Bürgermeister Michael Häupl angetreten hatte, führten Kommentatoren nicht zuletzt auf seinen ausgleichenden und mittigen Kurs zurück. «Er ist die Angela Merkel von Wien», sagte der Chefredakteur des Nachrichtenmagazins «Profil», Christian Rainer.
Der Erfolg in Wien gehe nicht auf das Konto der Bundes-SPÖ unter Parteichefin Pamela Rendi-Wagner, sagte der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier im ORF. Aus Sicht der SPÖ-Wähler habe vor allem die Stadtpolitik und die Person des Bürgermeisters eine zentrale Rolle gespielt.
«Kein Plan B» bei Strache
Für Strache war die Landtagswahl in Wien eine erste Nagelprobe für sein politisches Comeback. Ursprünglich hatte er ein zweistelliges Ergebnis in seiner Heimatstadt angestrebt. «Wenn wir den Einzug nicht schaffen sollten, könnte das das Ende von Straches politischer Karriere sein», sagte ein Mitglied seines Teams der Zeitung «Kurier». «Es gibt keinen Plan B», sagte Karl Baron vom Team HC Strache im ORF.
Die FPÖ und Strache hatten sich nach der Ibiza- und der Spesen-Affäre des Ex-FPÖ-Chefs entzweit. Strache hatte in einem Zusammenschnitt des Ibiza-Videos offen für Korruption gewirkt, nach der Veröffentlichung im Mai 2019 trat er als Vizekanzler und Parteichef zurück. Ein paar Monate später wurde ihm vorgeworfen, Parteigelder für private Zwecke genutzt zu haben. Strache bestreitet das. Das Verhältnis zur FPÖ ist durch die Skandale dennoch zerstört.
Bis zum amtlichen Endergebnis kann es noch bis Dienstag dauern. Die mehr als 380 000 Wahlkarten werden erst am Montag ausgezählt. Die Hochrechnungen berücksichtigen allerdings bereits das voraussichtliche Abstimmungsverhalten der Briefwähler. Zur Wahl waren mehr als 1,1 Millionen Bürger aufgerufen. Viele in der Stadt lebende Ausländer haben kein Wahlrecht auf Landesebene. Aufgrund der Corona-Krise wurden umfassende Sicherheitsvorkehrungen in den Wahllokalen getroffen. (awp/mc/pg)