Leadership: Der rotierende CEO bei Huawei
Zürich – Marketing ist Chefsache, heisst es. Innovation ist Chefsache. IT ebenso. Der CEO hat in allem das letzte Wort. Doch wenn Agilität für Unternehmen überlebenswichtig wird und Hierarchien immer flacher werden, darf das Konzept des allmächtigen und allwissenden CEOs in Frage gestellt werden. Leadership als Teamwork – der chinesische TechnologierieseHuawei lässt seinen CEO alle 6 Monate rotieren. Warum macht er das?
Die neuen Technologien sorgen für eine höhere Agilität und Dynamik, sowohl in Unternehmen als auch bei Individuen. In einer vernetzten Welt gewinnen sie ein Verständnis für die Welt über ihren «Tellerrand» hinaus. Dadurch ändern sich auch die Ansprüche und Anforderungen an ihr Arbeitsumfeld und somit auch an die Chefetage. Mittlerweile spüren die Geschäftsleiter zunehmend den Druck, ihren Unternehmensführungsstil zu überdenken. Aufgrund ihrer zentralen Rolle finden vor allem Führungskräfte sich in einer Umwelt wieder, welche durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (engl. «VUCA») geprägt ist. Dieses im VUCA-Modell beschriebene komplexe und auf Wissen und Teamwork beruhende Arbeitsumfeld zeichnet sich durch einen Wertewandel hin zu sinnstiftender und mitbestimmender Tätigkeit aus. Wir erleben unter diesen Rahmenbedingungen einen Paradigmenwechsel weg von der autoritären Führungspersönlichkeit hin zum Leader, der sich in ein Team integriert und Mitarbeiter motiviert.
In vielen Grossunternehmen ist das operative Geschäft auf breite Schultern in den unteren Managementebenen verteilt. Doch geht es um wegweisende Entscheidungen spitzt sich die Verantwortung auf eine einzige Person zu: den CEO. Geht diese «heroische Lichtgestalt» von Bord, stürzen häufig die Aktienkurse oder das Unternehmen erfährt unter dem nächsten «starken Mann» auch einen starken Kurswechsel.
Doch wo Unternehmen Innovation aus einem riesigen Pool an Human Knowledge schöpfen, kann auch die oberste Führung von kollektiver Weisheit profitieren. Pionier der kollektiven Führung ist der chinesische Technologiegigant Huawei, der seit 2012 das Prinzip des «Rotating CEO» lebt.
Wie funktioniert das Rotating CEO System?
Die drei «Rotating CEOs» Guo Ping, Xu Zhijun (Eric Xu, Hu Houkun (Ken Hu) teilen sich die Position des CEOs in einem sechsmonatigen Turnus; halbjährlich übernimmt ein anderer der drei die operative Geschäftsleitung von Huawei. Derjenige, der die Position des «Acting CEO» innehat, ist dabei die ranghöchste Person des Unternehmens. Der CEO konzentriert sich hauptsächlich auf die Unternehmensstrategie und delegiert das Tagesgeschäft und die Entscheidungsbefugnis an die Business Groups und die verschiedenen Standorte.
Derweil bleiben die anderen beiden CEOs nicht untätig, nur weil sie gerade nicht im Amt sind. Man könnte das System wohl mit der Schweizer Bundesregierung vergleichen. Das Amt des Bundespräsidenten ist zeitlich begrenzt und wird der Reihe nach an die Bundesräte verteilt, die jeweils ihren eigenen Departementen vorstehen.
So ist etwa Xu Zhijun (Eric Xu) zusätzlich Chairman of the Strategy & Development Committee, er kümmert sich um die Unternehmensentwicklung. Guo Ping zeichnet als Chairman of the Finance Comittee für die Finanzen des Unternehmens verantwortlich. Und Hu Houkun (Ken Hu) – der aktuelle CEO – kümmert sich seit dem ersten Oktober 2017 und bis zum 31. März 2018 um die Unternehmensleitung.
Hinter den drei CEOs steht zudem ein ständiger Ausschuss, dem vier Mitglieder angehören. Alle sieben zusammen bilden den Verwaltungsrat. Sie werden in einer demokratischen Wahl gewählt, bei der alle Mitarbeitenden stimmberechtigt sind. Die über 180’000 Mitarbeiter wählen 51 Vertreter der Anteilseigner und 9 Stellvertreter. Die Vertreter wählen dann die Kandidaten für den Ständigen Ausschuss aus.
Vorteile des Rotating CEO Systems
Die Führungsriege von Huawei sieht die Vorteile des Systems darin, eine gemeinsam getragene Leadership-Vision zu stärken und die gesamte Führung auf dieselben Ideen und Werte einzuschwören. Dabei hilft eine Organisationsstruktur, die verschiedene Persönlichkeitstypen als Identifikationsfiguren aufbaut.
Jeder CEO hat einen anderen beruflichen und persönlichen Hintergrund. Das schafft eine gute Balance in der Teppichetage, da jeder der Geschäftsleiter andere Fähigkeiten und individuelles Fachwissen mitbringt. Der amtierende CEO Hu Houkun (Ken Hu) verfügt über Erfahrungen in den Bereichen Marketing und Sales sowie Cybersecurity und Datenschutz. Guo Ping hat einen Background in Bereichen wie Legal und Finanzen und Xu Zhijun (Eric Xu) als ehemaliger Chief Products & Solutions Officer bringt ein grosses Verständnis für die Produkte und die Technologien mit.
Auch hat jeder der jeweils amtierenden CEOs seinen eigenen Führungsstil, was für eine höhere Agilität in der Führung und in der strategischen Ausrichtung der Unternehmung sorgt. So werden jedwede Entscheidungen automatisch immer reflektiert und kritisch hinterfragt. Übermässig konservative oder irrationale Entscheidungen können dadurch vermieden werden.
Nach der turnusmässigen Übernahme der Funktion muss sich jeder «Acting CEO» mit der operativen Ausrichtung seines Vorgängers beschäftigen und diese bei Bedarf anpassen. So wird sichergestellt, dass das Unternehmen auf dem richtigen Weg ist. Natürlich erfolgt nicht nach jeder CEO-Stabsübergabe ein totaler Kurswechsel. Aber dadurch, dass die Chefs ihren Blickwinkel auf das Unternehmen alle sechs Monate ändern, kann verhindert werden, dass die Führungskräfte Entscheidungen nur aus der Binnenperspektive heraus treffen. Der stetige Sesselwechsel balanciert das Entscheidungssystem permanent aus.
Das Rotating-System etabliert sich auch bei den Regional Directors
Auch an den regionalen Standorten bewährt sich Dynamik in der Führung: Nach dem Botschafterprinzip wechseln die Regional Manager alle 2-4 Jahre ihren Einsatzort. Das sorgt dafür, dass die Regionenleiter ein gutes Verständnis für verschiedene nationale Märkte und deren Bedürfnisse gewinnen. Und das Unternehmen als Ganzes holt sich sehr multinationale und kulturell breitgefächerte Perspektiven ins Haus. Aus dieser Offenheit und geistigen Flexibilität ergeben sich neue Ideen und ein grosses Know-how, denn was an einem Standort funktioniert hat, kann möglicherweise für einen anderen auch geeignet sein.
Die laufende Entwicklung scheint vom Erfolg dieses neuen Führungsprinzips zu zeugen: Aktuell hat Huawei über 180’000 Mitarbeiter und betreut weltweit mehrt als 3 Milliarden Kunden. Im Fortune Global 500 Ranking erreichte Huawei dieses Jahr den Platz 83. Und der Konzern wächst stetig: Die drei Geschäftsbereiche von Huawei – Enterprise, Consumer und Carrier – haben im Jahr 2016 zusammen einen Umsatz von 512.6 Milliarden CNY (etwa 76.6 Mia. CHF) geschaffen. (Huawei/mc/hfu)