Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy.
London – Knallhart hat der Westen die weitere Linie im Libyenkonflikt abgesteckt: Es werde nicht lockergelassen, ehe Gaddafi nicht die Führung abgibt. Gaddafi müsse «weg und zwar für immer», schrieben US-Präsident Barack Obama, der britische Premier David Cameron und der französische Staatschef Nicolas Sarkozy in einem gemeinsamen Beitrag für die britische «Times», den französischen «Figaro» und die «Washington Post».
Würde Libyen seinem Schicksal überlassen, bestehe das Risiko, dass das Land zu einem «gescheiterten Staat» werde. «So lange Gaddafi an der Macht ist, müssen die Nato und ihre Koalitionspartner ihre Operationen weiterführen, so dass Zivilisten geschützt bleiben und Druck auf das Regime aufgebaut wird», schreiben Obama, Sarkozy und Cameron. Die Welt würde sich eines «skrupellosen Verrats» schuldig machen, würde Muammar al-Gaddafi an der Macht bleiben, heisst es weiter. Auch eine Waffenruhe mit einem Ausstiegsszenario für Gaddafi, das Mitglieder seiner Familie in Libyen an der Macht belasse, sei nicht akzeptabel. «Es ist undenkbar, dass jemand, der sein eigenes Volk massakrieren wollte, eine Rolle in einer künftigen Regierung spielt.» Damit der Übergang funktioniere, «muss Gaddafi weg, und zwar für immer».
Erneute Angriffe der Nato
Erstmals stellte die Nato Gaddafi unterdessen klare Bedingungen für ein Ende der Luftschläge. Alle Angriffe und Angriffsdrohungen gegen Zivilisten müssten aufhören. Ausserdem müssten sich alle Streitkräfte einschliesslich Heckenschützen, Söldnern und anderen paramilitärischen Milizen nachprüfbar zurückziehen. Ferner müsse das Regime für humanitäre Hilfsleistungen an alle Bedürftigen im Lande ungehinderten Zugang gewähren.
Andernfalls werde das «hohe Einsatztempo» aufrechterhalten, warnte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. «Wir werden nicht untätig zusehen, wie ein diskreditiertes Regime sein eigenes Volk mit Granaten, Panzern und Scharfschützen angreift.»
Gaddafi lässt sich wie ein Filmstar feiern
Gaddafi liess sich indes in Tripolis feiern wie ein Filmstar. Im geöffneten Schiebedach seines Geländewagens stehend, im schwarzen Sakko, mit dunkler Sonnenbrille und zerknittertem Schlapphut wurde Gaddafi in einer hupenden Fahrzeugkolonne durch die Hauptstadt chauffiert. Dabei ballte er die Fäuste in Siegerpose, wie die Bilder des libyschen Staatsfernsehens zeigten. Später rief seine Tochter Aischa al-Gaddafi ihre Landsleute zum Widerstand gegen die Aufständischen und ihre Verbündeten auf. «Wer Gaddafi nicht will, der verdient nicht zu leben», sagte sie in der Nacht zum Freitag vor Anhängern im Stützpunkt Bab al-Asisi in Tripolis nach Angaben arabischer Medien. Ihr Vater halte sich nicht nur in Libyen auf, «sondern er ist in den Herzen aller Libyer».
Tochter Aischa ruft zum Widerstand auf
Aischa al-Gaddafi erinnerte an den 25. Jahrestag des US-Luftangriffs auf Tripolis (15. April 1986). Sie sagte: «Als ich ein Mädchen von gerade einmal neun Jahren war in diesem Haus von Geduld und Tapferkeit, feuerten sie Raketen auf uns ab und versuchten, mich zu töten. Sie töteten damals in Libyen Dutzende von Kindern, und jetzt nach einem Vierteljahrhundert sind es die gleichen Raketen und Bomben, die auf die Köpfe meiner und eurer Kinder regnen, so als wollten sie eine Generation nach der anderen bestrafen.» Die USA hatten den Angriff damals als Reaktion auf die Unterstützung des libyschen Regimes für den internationalen Terrorismus bezeichnet.
Russland kritisiert Appell für Ablösung Gaddafis
Russland hat den gemeinsamen Appell Frankreichs, Grossbritanniens und der USA für eine Ablösung von Gaddafi kritisiert. Aussenminister Sergej Lawrow sagte nach einer Tagung des Nato-Russland-Rats am Freitag in Berlin, eine solche Forderung sei durch die Libyen-Resolution der UN nicht gedeckt. «Der UN-Sicherheitsrat hat keinerlei Handlungen zum Zweck der Veränderung des Regimes in Libyen erlaubt.» «Ich habe unsere Partner in der Nato aufgefordert, sich strikt und verantwortungsvoll an das Mandat des UN-Sicherheitsrates zu halten», sagte Lawrow. Der Sicherheitsrat werde darüber entscheiden, ob das Mandat richtig umgesetzt worden sei.
«Suche nach politischer Lösung beschleunigen»
Lawrow sagte auch, er habe «gehört», dass «einige Parteien bereits Waffen nach Libyen liefern». Davor könne er nur warnen: «Das ist eine Verletzung der Resolution des Sicherheitsrates.» Lawrow mahnte dringend eine politische Lösung des Libyen-Konflikts an. «Wir sind der Meinung, dass es äusserst wichtig ist, die Suche nach einer politischen Lösung zu beschleunigen.» Er unterstützte den Aufruf der Afrikanischen Union zu einem Waffenstillstand. Lawrow sagte, auch der Einsatz von Bodentruppen in Libyen sei vom UN-Sicherheitsrat nicht vorgesehen. Er begrüsse, dass Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen auch dieser Meinung sei.
Anhaltende Gefechte
Der Nachrichtensender Al-Arabija berichtete am Freitag unter Berufung auf Augenzeugen von Angriffen der Truppen Gaddafis auf die Stadt Jafran südwestlich von Tripolis. Auf einer Website der Aufständischen hiess es, die Rebellen und die Zivilbevölkerung der seit Wochen belagerten Stadt Misurata hätten am Donnerstag den ganzen Tag Angriffe der Truppen Gaddafis ertragen müssen. Es sei ihnen aber gelungen, ein Eindringen der Truppen ins Stadtzentrum zu verhindern. Unterdessen rief auch das Terrornetzwerk Al-Kaida zum Kampf gegen Gaddafi auf. Die arabischen Armeen müssten in Libyen eingreifen und helfen, Gaddafi zu vertreiben, bevor «die Hilfe des Westens … sich in eine Invasion verwandelt», sagte der Stellvertreter von Osama bin Laden, Eiman al-Sawahiri, laut dem US-Sender ABC in einer auf Islamisten-Websites verbreiteten Videobotschaft. (awp/mc/upd/ps)
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