Frankreichs Aussenminister Alain Juppé.
Paris – Aus Frankreich kommt scharfe Kritik an der Strategie der Nato in Libyen. Das Bündnis lässt nach Ansicht von Aussenminister Alain Juppé nicht genügend Angriffe gegen die Truppen von Machthaber Muammar al-Gaddafi fliegen. Es werde zu wenig getan, um die schweren Waffen von Machthaber Muammar al-Gaddafi zu zerstören und die Zivilbevölkerung zu schützen, sagte Juppé am Dienstag dem Radiosender France Info.
Das libysche Regime droht, mögliche Hilfsaktionen der Europäischen Union für die Stadt Misurata mit Gewalt zu beantworten. «Die Nato wollte die militärische Führung der Operationen übernehmen, wir haben das akzeptiert. Sie muss jetzt ihre Rolle spielen», forderte Juppé und spielte damit auf den anfänglichen Widerstand Frankreichs gegen die Nato-Führung an. Derzeit mache die Nato den Job «nicht ausreichend». Als Beispiel für Handlungsbedarf nannte Juppé die Lage in Misurata östlich der Hauptstadt Tripolis. Die Stadt in der Hand der Aufständischen wird seit Wochen durch Gaddafis Truppen belagert.
Nato erwägt keinen «robusteren Militäreinsatz»
Nato-Chef Rasmussen hatte erst am Montag mitgeteilt, es gebe derzeit «keine Erwägungen für einen robusteren Militäreinsatz». Die Zahl der Luftschläge orientiere sich am Schutz der Zivilbevölkerung: «Wenn es nötig sein sollte, die Zahl der Flüge zum Schutz der Bevölkerung zu erhöhen, dann werden wir das tun.» Die Nato hatte die Führung des internationalen Militäreinsatzes in Libyen Ende März komplett übernommen. Zuvor waren die Einsätze zum Schutz der Zivilbevölkerung von einer elf Staaten zählenden «Koalition» koordiniert worden, zu deren wichtigsten Mitgliedern die USA, Frankreich und Grossbritannien zählten. Paris hatte sich lange gegen ein führende Rolle der Nato gesträubt, weil es über Angriffe selbst entscheiden wollte. In der militärischen Kommandostruktur der Nato ist die Atommacht erst seit 2009 wieder Mitglied. Frankreich ist nach den USA der grösste Truppensteller für den Libyeneinsatz.
Gaddafi droht
Unterdessen drohte das libysche Regime, mögliche Hilfsaktionen der Europäischen Union für die Stadt Misurata mit Gewalt zu verhindern. Die staatliche Nachrichtenagentur Jana meldete am Dienstag, das Aussenministerium habe der EU und dem Weltsicherheitsrat mitgeteilt, dass man bewaffnete Zivilisten auf jeden hetzen werde, der versuche, sich der Stadt «unter einem humanitären Vorwand» zu nähern. Ausser dem Roten Kreuz und dem Roten Halbmond sei es niemandem gestattet, Hilfe zu leisten, hiess es. In Misurata gibt es seit Wochen weder Strom noch frisches Trinkwasser. Die Europäische Union plant derzeit, mit Soldaten – möglicherweise auch mit Bodentruppen – humanitäre Hilfseinsätze in Libyen zu schützen. Sie kann aber nur Truppen in Richtung Libyen schicken, wenn zuvor das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) darum bittet. Die offizielle Anfrage wird diese Woche erwartet. Innerhalb der EU wird der Hilfseinsatz von einem Waffenstillstand in Libyen abhängig gemacht.
Beratungen der EU-Aussenminister
Auch deutsche Soldaten könnten den Transport von Hilfslieferungen an Häfen begleiten oder auch Flüchtlinge betreuen. Die EU-Aussenminister wollten an diesem Dienstag in Luxemburg über den möglichen Einsatz beraten. Bundesaussenminister Guido Westerwelle sagte am Morgen im Deutschlandfunk: «Deutschland beteiligt sich nicht an einem Krieg in Libyen, aber wir sind natürlich bereit die Folgen des Krieges für die Menschen mit zu lindern.» Die Aufständischen hatten am Montag einen Libyen-Friedensplan der Afrikanischen Union abgelehnt, weil dieser nicht das Abdanken und die Ausreise der Gaddafi-Familie vorsieht. Der Vorsitzende des Übergangsrates in Bengasi, Mustafa Abdul Dschalil, hatte gleichzeitig der internationalen Allianz für den Schutz der libyschen Zivilisten gedankt. Er erklärte: «Wenn diese Allianz nicht eingegriffen hätte, dann hätte uns Muammar al-Gaddafi komplett ausgelöscht.» (awp/mc/ps)
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