Amsterdam – Der Medizintechnikkonzern Philips kämpft weiter mit den weltweiten Lieferkettenproblemen. Hinzu kommen steigende finanzielle Belastungen durch einen Produktrückruf. Nach einem schwachen Schlussquartal kann der Konkurrent von Siemens Healthineers deshalb selbst seine zuletzt gesenkte Jahresprognose nicht mehr erfüllen. An der Börse sorgte dies für lange Gesichter, die Aktie stand mit einem Minus von fast 15 Prozent am Mittwochmorgen abgeschlagen am Ende des EuroStoxx50.
Philips registriere zwar weiterhin eine hohe Nachfrage, die in einem Auftragsbestandsrekord resultierte, sagte Konzernchef Frans van Houten laut Mitteilung vom Mittwoch in Amsterdam. «Dennoch sahen wir uns in allen unseren Geschäftsbereichen mit erheblich verschärften Problemen in der globalen Lieferkette konfrontiert.»
Chipmangel und Transportlogistik belasten
Vor allem der Chipmangel belaste, aber auch die verlängerten Zeiten in der Transportlogistik. Hinzu kämen Verzögerungen bei der Installation von Krankenhausausrüstung, dies sei vor allem den Belastungen durch die Pandemie in den Klinken geschuldet, ergänzte der Manager während einer telefonischen Analystenkonferenz. Der Konzern arbeite eng mit den Zulieferern und Kliniken zusammen, um diese Engpässe zu beseitigen.
Erlös deutlich hinter den Erwartungen zurück
Wie schon im dritten Quartal drückten die Probleme auch im letzten Jahresviertel auf Umsatz und Ergebnis der Niederländer: Während der Auftragseingang laut Unternehmen mit 4 Prozent Zuwachs robust blieb, dürfte den vorläufigen Berechnungen zufolge der Erlös im Schlussquartal bei rund 4,9 Milliarden Euro herauskommen – und damit rund 350 Millionen Euro niedriger als zuvor prognostiziert. Auf vergleichbarer Basis sei dies ein Rückgang zum Vorjahreszeitraum um rund 10 Prozent, hiess es.
Der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen auf Firmenwerte (Ebita) dürfte 650 Millionen Euro erreichen. Zudem falle eine Sonderbelastung an, die mit 420 Millionen Euro um 315 Millionen Euro höher sei als zuvor erwartet. Grund sind unter anderem höhere Rückstellungen im Zusammenhang mit einem Rückruf bestimmter Beatmungsgeräte des Konzerns.
Gesenkte Zielsetzung zu optimistisch
Der Konkurrent von Siemens Healthineers hatte bereits im Oktober die Jahresprognose gesenkt, doch selbst diese Ziele erweisen sich nun als zu optimistisch. Die enormen Auswirkungen der Corona-Pandemie im Winterquartal seien so vom Konzern nicht erwartet worden, räumte der Philips-Chef vor den Analysten ein.
So deutet sich für das Gesamtjahr 2021 nun ein Umsatz von 17,2 Milliarden Euro an, dies entspricht den Angaben zufolge auf vergleichbarer Basis einem Minus von einem Prozent. Zuletzt hatte das Management für den Jahreserlös ohne die Effekte von Übernahmen oder Wechselkursveränderungen noch einen Anstieg im niedrigen einstelligen Prozentbereich in Aussicht gestellt. Die operative Marge (Ebita-Marge) dürfte auf 12 Prozent zurückgehen, nach 13,2 Prozent im Jahr 2020. Auch hier hatte sich Philips im Oktober noch eine leichte Verbesserung erhofft.
Das Auftragsplus für das Gesamtjahr 2021 bezifferte der Konzern auf 4 Prozent, dieses sei im Schlussquartal vor allem durch prozentual zweistelliges Auftragswachstum im Geschäft mit Diagnose- und Behandlungsgeräten getrieben worden, hiess es.
Die endgültigen Zahlen für das vergangene Jahr will Philips am 24. Januar veröffentlichen. Dann werde es auch Aussagen zum Jahr 2022 geben, sagte van Houten. Der Manager griff aber schon ein wenig vor und erklärte, dass er auf gewisse Nachholeffekte in den kommenden Quartalen hofft.
Probleme mit Beatmungsgeräten
Nicht nur die Lieferkettenschwierigkeiten, auch die problematischen Beatmungsgeräte beschäftigen Philips schon seit Monaten. Im Juni vergangenen Jahres hatte die US-Tochter Philips Respironics bestimmte Schlaf- und Beatmungsgeräte zurückgerufen, weil sich ein Teil aus Polyurethanschaum zersetzen und giftig werden könnte.
Der Konzern arbeitet inzwischen eng mit der Arzneimittelbehörde FDA in den USA zusammen, auf beiden Seiten werden Tests wegen der möglichen gesundheitlichen Belastungen durchgeführt. Erste ermutigende Zwischenergebnisse hatte der Konzern im Dezember bekannt gegeben, doch es seien noch viele weitere umfassende Untersuchungen zu möglichen gesundheitlichen Risiken notwendig, so van Houten.
Während die konzerneigenen Studien zwar noch bis in das zweite Quartal andauern dürften, erhöhte Philips in diesem Zusammenhang seine Rückstellungen hierfür um rund 225 Millionen Euro. Grund: Es müssten mehr Maschinen als zuvor gedacht überarbeitet werden. So sollen nun in Abstimmung mit den Behörden auch bestimmte ältere Geräte ersetzt werden.
Weltweit dürften damit insgesamt 5,2 Millionen Geräte betroffen sein. Die entsprechenden Kapazitäten hierfür seien vorhanden, sagte van Houten, und das gesamte Rückrufprogramm werde voraussichtlich im vierten Quartal dieses Jahres abgeschlossen. Der Konzern schliesst nunmehr aber noch weitere Rückstellungen in diesem Zusammenhang sowie wegen Rechtsstreitigkeiten nicht aus. (awp/mc/pg)