London – Liz Truss wird wie erwartet neue Premierministerin des Vereinigten Königreichs und damit Nachfolgerin von Boris Johnson. Die Mitglieder der regierenden Konservativen Partei wählten die bisherige Aussenministerin mit mehr als 81’000 Stimmen zu ihrer neuen Vorsitzenden. Truss zieht damit auch in den Regierungssitz Downing Street ein.
Die 47-Jährige setzte sich im internen Wahlkampf gegen den früheren Finanzminister Rishi Sunak durch, der rund 60’000 Stimmen erhielt, wie der Chef des zuständigen Fraktionskomitees, Graham Brady, am Montag in London mitteilte. Königin Elizabeth II. wird Truss an diesem Dienstag auf ihrem Schloss Balmoral in Schottland zur Premierministerin ernennen. Damit wird Truss die dritte Frau an der britischen Regierungsspitze nach Margaret Thatcher und Theresa May.
Die gut 175 000 Parteimitglieder konnten in den vergangenen Wochen per Brief oder online abstimmen. Sunak und Truss hatten sich zuvor in mehreren Abstimmungsrunden der konservativen Abgeordneten durchgesetzt.
Truss will Steuern senken und gegenüber der EU Kante zeigen
Truss wird dem rechten Flügel der Partei zugeordnet. Einst eine entschiedene Brexit-Gegnerin, betont sie nun schon länger die Vorteile des EU-Ausstiegs. Die 47-Jährige konnte im innerparteilichen Wahlkampf vor allem mit dem Vorhaben überzeugen, trotz enorm hoher Inflation sofort die Steuern senken zu wollen. Ausserdem sammelte sie bei der Parteibasis – die deutlich älter, männlicher und wohlhabender ist als der Durchschnitt der britischen Bevölkerung – Punkte mit einer konfrontativen Linie gegenüber der EU und populistischen Äusserungen zu Flüchtlingen, Linken, Umweltaktivisten sowie gesellschaftlichen Minderheiten.
Als grösste Herausforderung für die designierte Regierungschefin gelten die hohen Energiepreise. Es wird erwartet, dass Truss innerhalb weniger Tage ihre Pläne im Kampf gegen die steigenden Kosten für Strom und Gas vorstellt. Fraglich ist allerdings, ob sie es schaffen wird, die Konservative Partei nach einem harten Wahlkampf zu einen – in der Fraktion hatte Sunak mehr Unterstützer. In der Aussenpolitik wird befürchtet, dass Truss den Streit mit der EU um Brexit-Regeln für Nordirland weiter eskaliert.
Johnson tritt nach zahlreichen Skandalen ab
Am Dienstag wird sich Johnson ein letztes Mal als Premier an die Bevölkerung wenden, bevor er in Schottland von der Queen aus dem Amt entlassen wird. Der 58-Jährige scheidet nach zahlreichen Skandalen auf Druck seines Kabinetts und der Fraktion aus. Die «Partygate»-Affäre um verbotene Lockdown-Feiern in Johnsons Amtssitz hatte ihn ins Wanken gebracht. Mehrere weitere Skandale und sein Umgang damit brachten den Premier dann zu Fall. Ein mögliches Comeback gilt jedoch nicht als ausgeschlossen. Noch immer hat der Politiker, der zunächst einfacher Abgeordneter bleiben wird, eine starke Unterstützerbasis in der Partei. (awp/mc/pg)