Rom – Nach der Parlamentswahl in Italien haben sowohl die rechtspopulistische Lega als auch die europakritische Fünf-Sterne-Bewegung Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten erhoben. «Wir sind die absoluten Gewinner», sagte Fünf-Sterne-Spitzenkandidat Luigi Di Maio am Montag in Rom. Seine Partei repräsentiere das gesamte Land, den «ganzen Stiefel». Die Fünf Sterne waren bei der Wahl auf rund 32 Prozent gekommen und sind damit die stärkste Einzelkraft geworden. Allerdings kommen sie nicht auf eine Regierungsmehrheit.
Auch die rechtspopulistische Lega beanspruchte die Führung für sich. Millionen Italiener hätten seine Partei beauftragt, das Land «von der Unsicherheit und Instabilität zu befreien», die Ex-Regierungschef Matteo Renzi und Brüssel zu verantworten hätten, sagte Matteo Salvini in Mailand. «Über Italien entscheiden die Italiener», so Salvini. «Nicht Berlin, nicht Paris, nicht Brüssel» und auch nicht die Finanzmärkte.
Die ausländerfeindliche Lega war bei der Wahl im Bündnis mit der konservativen Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi angetreten und schaffte es auf rund 18 Prozent. Allerdings verpasste die Allianz mit etwa 37 Prozent nach Auszählung fast aller Stimmen die Regierungsmehrheit im Parlament.
Die Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel wünschte Italien viel Erfolg bei der Bildung einer stabilen Regierung. Mit Blick auf die schwierige Regierungsbildung in Deutschland sagte Regierungssprecher Steffen Seibert: «Man möchte allen wünschen, dass es schneller als sechs Monate geht.»
Für eine Regierungsmehrheit in Italien wären etwa 40 bis 42 Prozent der Stimmen notwendig, was kein Bündnis erreicht. Das entspricht mindestens 316 von insgesamt 630 Sitzen in der Abgeordnetenkammer und mindestens 158 von 315 Sitzen im Senat.
Lega-Chef Salvini will keine «seltsamen Bündnisse»
Ob es eine Koalition zwischen der Lega und der ebenfalls europakritischen Fünf-Sterne-Bewegung geben könnte, war zunächst unklar. Laut Lega-Chef Salvini werde es keine «seltsamen Bündnisse» geben. «Mitte-Rechts hat gewonnen und kann regieren.» Der 31-jährige Di Maio sagte dagegen: «Wir sind offen für alle politischen Kräfte.» Er hatte in der Vergangenheit die Rechte aber als «prinzipiellen politischen Gegner» bezeichnet.
Rechtspopulisten in Europa triumphierten über das Ergebnis in Italien. Der Niederländer Geert Wilders gratulierte Lega-Chef Salvini auf Twitter zum Wahlerfolg. Die Chefin der rechtsextremen französischen Front National, Marine Le Pen, sieht im Wahlausgang in Italien schlechte Nachrichten für Europa. Der AfD-Parteichef Alexander Gauland äusserte sich eher verhalten: «Was die Italiener gewählt haben, ist deren Sache. Es wird sich zeigen, welche Politik diese Parteien für Italien machen werden.» Der prominente Brexit-Befürworter Nigel Farage sprach von einem «enormen Sprung für die euroskeptischen und Anti-Establishment-Parteien in Italien.»
Hängepartie zeichnet sich ab
Es bleibt völlig unklar, wer nun das wirtschaftlich angeschlagene Italien führen wird. Am 23. März kommen die beiden Kammern des Parlaments zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Erst danach beginnen eventuelle Koalitionsverhandlungen. Mit dem unklaren Wahlausgang zeichnet sich dabei eine Hängepartie ab – und es wird wahrscheinlicher, dass Gentiloni bis auf Weiteres regieren wird. Falls sich die Parteien nicht auf ein Regierungsbündnis einigen können, muss Staatspräsident Sergio Mattarella Neuwahlen ausrufen.
Nach den Gewinnen für die rechten und europakritischen Kräfte erwarten Ökonomen mehr Unsicherheit an den Märkten und schlechte Aussichten für eine wirtschaftliche Erholung des Landes. «Diejenigen Parteien haben die Wahl gewonnen, die den Menschen mehr Staatsausgaben ohne Gegenfinanzierung und damit den Bruch europäischer Regeln versprochen haben», sagte Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. (awp/mc/ps)