Paris – Frankreich nimmt nach der Wahl mit einer absoluten Parlamentsmehrheit für den Präsidenten und Hoffnungsträger Emmanuel Macron Kurs auf einen politischen Neustart. Das neue Parlament wird zu drei Vierteln mit Politneulingen besetzt sein. Zudem wird Macron seine kürzlich gebildete Reformregierung geringfügig anpassen. Er meine aber, dass Premierminister Edouard Philippe bleiben werde, sagte Regierungssprecher Christophe Castaner dem Sender RTL am Montag. Es gehe um eine «technische» Umbildung.
Erwartet werde die Ernennung weiterer Staatssekretäre zur Entlastung der Minister mit grossem Aufgabenbereich, schrieb «Le Parisien». An den bisherigen Ressortchefs werde wohl nicht gerüttelt. Castaner zufolge wollte die Regierung im Laufe des Montages zurücktreten, wie dies nach einer Parlamentswahl üblich sei. Das künftige Kabinett werde in den nächsten Tagen ernannt werden.
Das Mitte-Lage des Politjungstars Macron (39) kam nach Zahlen des Innenministeriums vom Montagmorgen aus dem Stand auf 350 der 577 Sitze in der Nationalversammlung. Die absolute Mehrheit war damit ungefährdet, aber weniger deutlich als erwartet. Bei der Parlamentswahl setzten sich Minister der bisherigen Regierung durch, unter ihnen Wirtschaftsressortchef Bruno Le Maire und Europaministerin Marielle de Sarnez.
Sozialisten stürzen ab
Die bürgerlichen Parteien um die konservativen Republikaner kamen auf 137 Sitze. Die Sozialisten von Macrons Amtsvorgänger François Hollande stürzten ab und erreichten zusammen mit anderen Kandidaten der moderaten Linken 45 Sitze. Der Rechtspopulistin Marine Le Pen gelang erstmals der Einzug ins französische Parlament. Insgesamt kommt ihre Front National auf acht Plätze in der ersten Kammer.
Der Nationalversammlung steht die bislang umfangreichste Erneuerung seit Gründung der Fünften Republik 1958 bevor. Einerseits waren 212 der bisherigen Abgeordneten nicht mehr zur Wahl angetreten. Andererseits hatte die neue Partei von Macron gezielt Politneulinge für die Parlamentswahl aufgestellt. Viele von ihnen haben künftig einen Sitz in der Nationalversammlung.
Nur 142 der 577 Mitglieder der bisherigen Nationalversammlung behalten ihren Sitz. Von den bisherigen Abgeordneten, die erneut in ihrem Wahlkreis kandidiert hatten, schieden 122 im ersten und 81 im zweiten Wahlgang aus.
Wahlbeteiligung auf historischem Tief
Die Wahlbeteiligung stürzte in der entscheidenden zweiten Runde des Parlamentsentscheids auf einen neuen historischen Tiefpunkt von knapp 43 Prozent. Ausserdem gaben knapp zehn Prozent der Urnengänger entweder einen leeren Wahlumschlag oder eine ungültige Stimme ab. Angesichts dessen sei die Politikverdrossenheit nicht alleine mit der Runderneuerung des politischen Personals überwunden, sagte Martial Foucault, Chef des Meinungsforschungsinstituts Cevipof. Die Frage sei, wie man den Draht zwischen den Wählern und den Volksvertretern wieder herstellen könne. «Selbst mit den neuen Gesichtern sieht man, dass der Faden gerissen ist.»
Unterdessen wird die Nationalversammlung weiblicher als jemals zuvor. Unter den 577 Abgeordneten sind 223 Frauen, dies sind 38,7 Prozent. Bisher gehörten 155 Frauen der Nationalversammlung an, das entsprach einem Anteil von 26,9 Prozent, wie die Zeitung «Le Monde» berichtete. (awp/mc/upd/ps)