Mario Monti führt Notregierung aus Experten

Mario Monti führt Notregierung aus Experten

Mario Monti.

Rom – Italien hat seine Regierungskrise überwunden: Der frühere EU-Kommissar Mario Monti ist nun auch offiziell bereit, an der Spitze einer Notregierung aus Fachleuten zu stehen. Die letzten Hindernisse auf dem Weg zu einer neuen Führung des hoch verschuldeten Landes nach dem Rücktritt von Silvio Berlusconi wurden am Mittwoch ausgeräumt. Das teilte ein Sprecher von Staatspräsident Giorgio Napolitano in Rom mit. Erste Reaktionen im In- und Ausland werteten den Wechsel am Tiber überwiegend positiv.

Nach einem langen Gespräch mit Napolitano hat Monti sein zahlenmässig eher kleines «Kabinett der Fachleute» aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung präsentiert. Er stellte zwölf Minister vor, darunter fungiert er selbst interimsweise im Amt des Wirtschafts- und Finanzministers. Zudem ernannte er fünf Minister «ohne Portfolio», also Sonderminister ohne Geschäftsbereich für besondere Aufgaben. Sein am Samstag zurückgetretener Vorgänger Berlusconi war 2008 mit 21 Ministern angetreten – darunter neun Sonderministern. Die Mannschaft war später aufgestockt worden.

Passera wird Wachstumsminister
Eine Schlüsselposition erhält der neue Minister für Wachstum. Diese Stelle sei mit einer weitreichenden Weisungskompetenz versehen, sagte Monti an der Präsentation seiner Kabinettsliste in Rom. Die Wahl ist auf den 56jährige Corrado Passera gefallen, derzeitiger Verwaltungsratsdelegierter in der italienischen Grossbank Intesa Sanpaolo. Die Position sei deshalb von besonderer Wichtigkeit, weil das Land konkurrenzfähiger werden müsse, erklärte Monti.

Kabinett der Fachleute
Bei der Zusammenstellung des Kabinetts griff Monti auf Technokraten und nicht auf Politiker aus den Reihen der zersplitterten italienischen Parteienlandschaft zurück. «Während der Konsultationen bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Abwesenheit von Politikern der Regierung die Arbeit erleichtert, da sie einen Grund für Befangenheit beseitigt», erklärte Monti.

Drei Frauen in der Regierung
Neuer Aussenminister wird der derzeitige Botschafter Italiens in Washington, Giulio Terzi di Sant’Agata. Das Verteidigungsministerium geht an den NATO-Admiral Giampaolo de Paola. Drei Ministerien werden von Frauen besetzt: Die bekannte Strafanwältin Paola Severino wird Justizministerin, die ausgewiesene Verwaltungsfachfrau Anna Maria Cancellieri Innenministerin und die Wirtschaftswissenschaftlerin Elsa Fornero Arbeitsministerin.

Montis Sparprogramm
Mit den Fachleuten will der 68-jährige Monti Italien aus den Wogen der akuten Schuldenkrise führen und den wirtschaftlichen Neubeginn sichern. Er feilt an einem Regierungsprogramm, das allein im kommenden Jahr Sparmassnahmen in Höhe von 25 Milliarden Euro vorsieht. Er will sich dabei an den klaren Forderungen orientieren, die die EU-Kommission in den vergangenen Wochen Rom gestellt hatte.

Montis Kabinett muss sich noch einer Vertrauensabstimmung in beiden Parlamentskammern stellen, bevor es offiziell die Regierungsgeschäfte aufnehmen kann.

Positive Reaktionen
Bundeskanzlerin Angela Merkel freut sich auf die Zusammenarbeit mit dem designierten Ministerpräsidenten: «Sie schätzt ihn sehr. Er ist ein Fachmann, der die europäischen Verhältnisse sehr gut kennt», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Auch der frühere italienische Regierungschef Romano Prodi kommentierte: «Ich glaube, dass Monti der richtige Mann ist, um die Spannungen zu überwinden.»

Lob auch aus den Reihen der Berlusconi-Partei
Walter Veltroni von der grössten linken Oppositionspartei PD (Demokratische Partei) sagte: «Es ist eine optimale Regierungsmannschaft aus kompetenten und respektablen Fachleuten.» Auch aus den Reihen der Pdl-Partei von Berlusconi kamen positive Stimmen. Berlusconis Ex-Justizminister Francesco Nitto Palma begrüsste seine Nachfolgerin Paola Severino sowie die neue Innenministerin Anna Maria Cancellieri als optimale Wahl. Das Amt des Justizministers ist vor allem für Berlusconi sensibel, der noch in vier Verfahren auf der Anklagebank sitzt.

Gewerkschaften reagieren zurückhaltend
Die Chefin der grössten italienischen Gewerkschaft CGIL, Susanna Camusso, betonte eher abwartend ihre Hoffnung, dass die neue Regierung nicht sofort mit der von den Gewerkschaften abgelehnten Auflockerung des Arbeitnehmerschutzes anfangen werde. Dasselbe gelte für die geplante Rentenreform. Man werde die Regierung in jedem Fall erst nach ihren Fakten beurteilen, erklärte Camusso. Vertreter der kleinen linken Partei «Italien der Werte» stimmten ihr zu.

Lega Nord geht auf die Barrikaden
Ein negatives Echo auf den neuen Premier erklang – wie erwartet – aus den Reihen von Berlusconis ehemaligem Bündnispartner Lega Nord.»Wenn es wahr ist, dass man den guten Tag schon an seinem Morgen erkennt, dann herrscht schon jetzt dunkle Nacht», polterte der frühere Minister für Gesetzesvereinfachung, Lega-Mann Roberto Calderoli. Seine Partei werde mit Freuden gegen die neue Regierung stimmen. Die populistische Nordpartei hatte von Anfang an jede Übergangsregierung ausgeschlossen und auf die Alternative Neuwahlen gepocht. (awp/mc/pg)

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