Marktschock nach Griechenland-Wahl befürchtet
Parlamentsgebäude in Athen.
Frankfurt / Berlin – Aufkündigung der Sparzusagen, Einstellung der Hilfen, dann Staatspleite und Wiedereinführung der Drachme. So könnte das Szenario nach der Wahl am Sonntag in Griechenland aussehen, wenn sich die radikale Linke durchsetzt. Politik, Notenbanker und Investoren blicken angespannt nach Athen: Es droht ein Dominoeffekt – Stichwort Spanien und Italien – und gar das Auseinanderbrechen der Währungsunion.
Die Finanzmärkte sind hypernervös, der Wahlausgang und die Folgen für die Weltwirtschaft sind schwer einzuschätzen. Und nicht nur Anleger sind verunsichert: Laut aktuellem ZDF-«Politbarometer» haben 39 Prozent der Deutschen Angst um ihre Ersparnisse.
Politik und Notenbanken stehen bereit
Auch wenn es am Freitag offiziell keine Bestätigungen gab, Politik und Notenbanken stehen wohl bereit, auf einen möglichen Absturz der Märkte schnell zu reagieren. Allerdings wollte die Europäische Zentralbank Berichte nicht bestätigen, die wichtigen Notenbanken der Welt planten ein gemeinsames Vorgehen im Falle von Marktturbulenzen. «Kein Kommentar», hiess es dazu knapp bei der EZB in Frankfurt.
Auch die Staats- und Regierungschefs dürften sich über das weitere Vorgehen austauschen. Allerdings betonte der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert, die Bundesregierung habe für Sonntagabend keine Krisengespräche mit den Euro-Partnern geplant und warte vorerst den Ausgang der Wahl in dem krisengeschüttelten Land ab: «Jetzt lassen wir Griechenland mal wählen.»
Alle Grossereignisse im Auge
Seibert betonte zugleich, der auf Mitternacht in der Nacht zu Montag verschobene Abflug von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum G20-Gipfel der Top-Wirtschaftsmächte in Mexiko sei aus «terminlichen und reisetechnischen» Gründen erfolgt. Auch andere europäische Regierungschefs würden später zum G20-Gipfel fliegen. Merkel habe alle Grossereignisse des Abends im Auge, «fussballerische und politische», sagte Seibert mit Blick auch auf EM-Spiel Deutschland gegen Dänemark.
Dennoch: Im Vertrauen auf ein mögliches Krisenmanagement zeigten sich die Börsen am Freitag freundlich. Der Dax stand am Nachmittag knapp anderthalb Prozent im Plus. Auch Aussagen von EZB-Chef Mario Draghi wurden positiv aufgenommen. Nach Draghis Einschätzung ist die Lage am Kreditmarkt des Euroraums trotz der jüngsten Zuspitzung der Schuldenkrise deutlich besser als im vergangenen Herbst. Hierzu habe vor allem die Bereitstellung günstiger Kredite der Zentralbank an die Banken über insgesamt eine Billion Euro beigetragen.
Krisenpolitik auf dem Prüfstand
Nach Einschätzung führender Ökonomen stellt die Griechenland-Wahl auch die bisherige Krisenpolitik der Euro-Retter auf den Prüfstand. «Die erneute Wahl in Griechenland entscheidet darüber, ob der Grundsatz der bisherigen Krisenpolitik in der Eurozone – Geld gegen Auflagen – weiter trägt», sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, am Freitag «Handelsblatt Online». Man könne immer über Umsetzungsfragen reden, wenn die wirtschaftliche Entwicklung deutlich schlechter sein sollte als unterstellt. «Doch der Grundsatz der Krisenpolitik darf nicht in Zweifel gezogen werden, wenn man nicht die Euro-Zone zur Haftungsunion ohne angemessene Kontrolle machen will.»
Auch für Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater ist die Wahl von hoher Bedeutung. «Es geht schlicht darum, ob die Währungsunion wenigstens mit einem Mindestmass an Regeln weiterarbeiten kann», sagte er. Bei einer Aufkündigung der Vereinbarungen durch eine neue griechische Regierung müsse das Kreditprogramm eingestellt oder zumindest reduziert werden. «Einen Austritt Griechenlands würde dies noch nicht automatisch bedeuten, aber zumindest einen Schritt in diese Richtung», sagte Kater.
Wirtschaftliches Chaos in Griechenland droht
Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, sieht dagegen keine Chance für einen Verbleib Griechenlands im Euro, sollten die Verträge mit der Staatengemeinschaft aufgekündigt und zudem wichtige Reformen rückgängig gemacht werden. «Dann hätten EU und IWF keine andere Wahl, als Griechenland den Geldhahn zuzudrehen», sagte Krämer. Wirtschaftliches Chaos in Griechenland und ein Austritt des Landes aus der Währungsunion würden die Anleger «vorübergehend sicher beunruhigen». Aber: «Die Währungsunion würde einen Austritt Griechenlands wohl verkraften.»
Angesichts der schweren Krise mahnte EZB-Chef Draghi eine tiefere Zusammenarbeit im Euroraum an. «Um die wirtschaftliche Stabilität in der Währungsunion zu erhalten, brauchen wir eine stärkere Basis in der Finanz-, Fiskal- und Strukturpolitik», sagte Draghi. Die Staatsschuldenkrise habe lange bestehende Ungleichgewichte im Euroraum aufgedeckt, etwa bei der Staatsfinanzierung. Als Antwort müsse Europa nun enger zusammenwachsen. (awp/mc/ps)