Stuttgart – Der Autobauer Mercedes-Benz kann im widrigen Umfeld aus Chipkrise und Ukraine-Krieg weiter auf die hohen Verkaufspreise am Markt setzen. Trotz geringerer Verkäufe erzielte das Unternehmen bei Umsatz und Ergebnis deutliche Steigerungen. Dass der weitgehende Rückzug aus Russland wegen des Angriffskriegs in der Ukraine viel Geld kostet und die mangelnde Halbleiterversorgung die Produktion stört, bremst den Konzern dabei nur wenig. Die von Konzernchef Ola Källenius eingeleiteten Kostensenkungen tun ihr Übriges. Die Aktie legte am Mittwoch kräftig zu, auch weil das Unternehmen im Rahmen seiner Prognosen etwas zuversichtlicher wurde.
Das Papier gewann zum Handelsstart knapp zwei Prozent. In den letzten Monaten war es insbesondere mit dem Ausbruch des Kriegs in Osteuropa spürbar unter Druck gekommen. Mitte Februar hatte der Kurs sein Jahreshoch bei 77,90 Euro erreicht, danach ging es bergab. Zwischenzeitlich hat sich die Aktie vom Tief bei unter 55 Euro wieder etwas erholt, dümpelte aber angesichts der angespannten Konjunkturlage zuletzt eher um die 65-Euro-Marke.
«Sehr starkes Quartal»
Analyst Jose Asumendi von der US-Grossbank JPMorgan sprach von einem sehr starken Quartal. Sowohl Umsatz als auch operatives Ergebnis seien besser ausgefallen als von ihm und dem Markt erwartet. Es stehe nun zunehmend zur Debatte, ob das Management den Ausblick nicht anheben sollte.
Dazu rang sich das Management nämlich nicht durch – Finanzchef Harald Wilhelm stellte aber gleichwohl in der Pkw-Sparte für das Jahr einen Wert am oberen Ende der Prognosespanne von 11,5 bis 13 Prozent der bereinigten operativen Marge in Aussicht. Preise und Modellmix sollten auf einem hohen Niveau bleiben, hiess es vom Unternehmen.
Allerdings will Wilhelm wegen einiger Risiken Vorsicht walten lassen. Zum einen dürften sich die hohen Gebrauchtwagenpreise, von denen Mercedes über Leasing-Rückläufer profitiert, im Laufe des Jahres nicht mehr ganz so positiv entwickeln wie in der jüngeren Vergangenheit. In China drohen mögliche Lockdowns wegen der Covid-Pandemie sowohl die Produktion in Peking wie auch die Lieferketten zu stören. Nicht zuletzt dürfte die Inflation die Kosten für Material, Energie und Personal stärker steigen lassen als noch zu Jahresbeginn gedacht. Daneben könnten auch der Krieg in der Ukraine und der Chipmangel die Produktion stören.
Umsatz steigt in Q1 um 6 Prozent
Der Umsatz des Konzerns aus fortgeführten Geschäften stieg im ersten Quartal um 6 Prozent auf 34,9 Milliarden Euro, wie die Stuttgarter mitteilten. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern kletterte dank des guten Preisumfelds für Neu- und Gebrauchtwagen sowie wegen Kosteneinschnitten um 19 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro – wenn man nur die Geschäfte betrachtet, die Mercedes nach der Abspaltung des Lkw-Konzernteils Daimler Truck weiterführt.
Beeindruckende Umsatzrendite
Die Pkw-Sparte erzielte mit 16,4 Prozent vom Umsatz eine für die Branche sehr hohe bereinigte operative Gewinnmarge. Goldman-Sachs-Experte George Galliers nannte die Umsatzrendite beeindruckend. Dass Mercedes durch Preiserhöhungen und Verlagerung auf teurere Modelle die hohen Rohstoffkostensteigerungen habe abfangen können, sei ein Beleg für den verstärkten Fokus auf Luxus im Angebot.
Seit einigen Quartalen sorgt die hohe Nachfrage nach Autos bei gleichzeitig eingeschränkter Verfügbarkeit für hohe Preise bei Neu- und Gebrauchtfahrzeugen. Die Lieferzeiten sind lang, Rabatte müssen die Händler kaum noch einräumen. So kam es, dass Mercedes-Benz bei den Pkw trotz eines um zehn Prozent gesunkenen Absatzes auf rund 487 000 Autos den Umsatz um 8 Prozent steigern konnte.
Vor allem die teuren Modelle wie das Flaggschiff S-Klasse, die Luxusmarke Maybach, die getunten Sportmodelle von AMG und weitere lukrative Fahrzeuge verkaufen sich gut – auch deshalb, weil Mercedes die knappen Chips vorrangig in diese und in die Elektroautos einbaut. Die Top-Modelle wuchsen beim Absatz um 5 Prozent, die elektrifizierten Autos um 19 Prozent.
Gewinn von 3,5 Mrd Euro
Unter dem Strich stand für die Aktionäre ein Gewinn von 3,5 Milliarden Euro, was auch wegen der Abspaltung von Daimler Truck knapp ein Fünftel weniger ist als ein Jahr zuvor. Für den weitgehenden Rückzug aus den Geschäften in Russland musste der Konzern 709 Millionen Euro aufwenden, weitere 281 Millionen Euro wurden für die Dieselaffäre fällig. Demgegenüber stand ein Sonderertrag von 918 Millionen Euro unter anderem für den Verkauf von Niederlassungen in Kanada. Aus dem fortgeführten Geschäft erzielte Mercedes einen kleinen Gewinnanstieg. (awp/mc/pg)