Merck stellt Weichen neu – Prüft Optionen für Selbstmedikation

Merck stellt Weichen neu – Prüft Optionen für Selbstmedikation

Darmstadt – Der Darmstädter Merck-Konzern stellt die Weichen für seine Pharmasparte neu. Weil das Geschäft mit der Selbstmedikation offenbar nicht länger in das eigene Portfolio passt, prüft Merck nun diverse Optionen. Diese umfassen auch eine strategische Partnerschaft bis hin zu einem teilweisen oder kompletten Verkauf des Bereichs, der im Konzern unter dem Namen Consumer Health läuft.

Die Umsetzung etwaiger Massnahmen und deren konkrete Ausgestaltung stünden unter dem Vorbehalt der weiteren Prüfung und Entscheidung durch die Geschäftsleitung sowie der weiteren zuständigen Gremien, teilte das Dax -Unternehmen am Dienstag mit. Ein Sprecher betonte, man sei noch in einer sehr frühen Phase des Prozesses. An der Börse zog die Merck-Aktie zuletzt um fast 3 Prozent auf 94,72 Euro an.

Spekulationen über einen Verkauf des Bereichs waren in den vergangenen Jahren immer wieder hochgekocht. Noch im Mai war die Leiterin des Consumer-Health-Geschäfts, Uta Kemmerich-Keil, in einem Interview mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX diesen entgegengetreten und hatte den Bereich als stabilen «Cash-Generator» für den Gesamtkonzern bezeichnet. Im vergangenen Jahr erzielte der Bereich Umsatzerlöse von 860 Millionen Euro – rund 15 Milliarden Euro waren es konzernweit.

«Finanzierung zunehmend herausfordernd»
Doch gerade dies ist ein Pfund, mit dem Merck nun bei möglichen Interessenten gut wuchern kann. Consumer Health habe eine solide Position in attraktiven Märkten und erziele wiederholt profitables Wachstum, wird Pharma-Chefin Belen Garijo in der Mitteilung zitiert. Doch der Konzern halte es für «zunehmend herausfordernd, dieses Geschäft intern so zu finanzieren, dass es die notwendige Grösse erreichen kann».

Tatsächlich ticken die Uhren bei Merck inzwischen anders. Der Konzern hat in den vergangenen Jahren durch zahlreiche Zu- und Verkäufe den Umbau hin zu einem Wissenschafts- und Technologieunternehmen vorangetrieben. Nach Jahren der Flaute ist inzwischen auch die Pharmapipeline gut gefüllt. Gleichzeitig spürt auch Merck den Innovationsdruck der Branche. «Healthcare setzt im Wesentlichen auf seine Biopharma-Pipeline», sagte Merck-Chef Stefan Oschman laut Mitteilung. Bedeutet: Das Selbstmedikation-Geschäft fällt nicht hierunter.

Die Hoffnungen in Darmstadt ruhen auf der gerade in Europa zugelassenen Multiple-Sklerose-Tablette Cladribin (Markenname Mavenclad), aber vor allem auf dem vielversprechenden Krebsmedikament Avelumab. Das Mittel ist bereits in den USA unter dem Markennahmen Bavencio für zwei kleinere Indikationen zugelassen, in Europa kann Merck auf eine erste Zulassung zur Behandlung eines seltenen und aggressiven Hautkrebs hoffen. Studien für zahlreiche weitere Tumorarten, die noch höheres Umsatzpotenzial versprechen, laufen.

Erlöse aus Transaktion sollen Finanzziele stützen
Die Forschung hierfür ist intensiv und kostenaufwendig. Merck-Chef Oschmann hatte deshalb für das laufende Jahr einen deutlichen Anstieg der Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Aussicht gestellt. Merck kündigte nun an, die Erlöse aus einer möglichen Transaktion einzusetzen, um die Finanzziele des Konzerns zu unterstützen. Zuletzt hatte Merck zum zweiten Quartal seine Umsatzprognosen auch wegen Konkurrenzproblemen im Flüssigkristallgeschäft auf 15,3 bis 15,7 Milliarden Euro senken müssen. Das operative Ergebnis (Ebitda) wird vor Sondereinflüssen in einem Korridor zwischen 4,4 und 4,6 Milliarden Euro erwartet.

Dabei ist die Gelegenheit für eine Transaktion günstig, denn es tut sich einiges auf dem sogenannten OTC-Markt (Over the Counter). Erst Anfang des Jahres hatte der französische Pharmakonzern Sanofi in einem Tauschgeschäft mit Boehringer Ingelheim dessen Sparte für rezeptfreie Medikamente übernommen.

Analyst Bernhard Weininger von Independent Research geht davon aus, dass es auf einen Verkauf der Merck-Selbstmedikation hinauslaufen wird. Potenzielle Interessenten seien im Prinzip alle Anbieter auf dem stark fragmentierten Markt, aber vor allem Konzerne mit grossem OTC-Geschäft wie Bayer, Johnson & Johnson, Pfizer, aber auch Sanofi. «Ich gehe davon aus, dass wir zu einer europäischen Lösung kommen. Aber das ist im Moment nur eine Vermutung.» Weininger schätzt, dass eine Entscheidung im Merck-Konzern über die Zukunft des Bereichs bis Ende des Jahres fallen wird. «2018 dürfte das Geschäft dann abgeschlossen sein». (awp/mc/ps)

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