Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Berlin – Deutschland gibt seinen Widerstand gegen einen höheren Schutzwall für die Euro-Zone endgültig auf. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich am Montag dafür aus, die Euro-Rettungshilfen aufzuweiten – auf zeitweise bis zu 700 Milliarden Euro. Der im Juli startende dauerhafte Rettungsschirm ESM und sein Vorgänger EFSF würden demnach bis Mitte 2013 parallel so aufgespannt, dass die finanzielle Schlagkraft nicht gemindert wird. An der ESM-Obergrenze von 500 Milliarden Euro soll nicht gerüttelt werden.
Die Haftung Deutschlands könnte damit – zumindest eine Zeitlang – über die bisherige Maximal-Bürgschaft von 211 Milliarden Euro klettern. In welchem Umfang, ist offen. Spekuliert wurde über einen vorübergehenden Garantie-Rahmen von bis zu 280 Milliarden Euro. Die Bundesregierung reagiert damit auf wachsenden Druck der USA und anderer Staaten sowie des Internationalen Währungsfonds (IWF). Nach einer Sitzung des CDU-Präsidiums stellte Merkel in Berlin klar: «Wir sagen: Der ESM soll dauerhaft bei den 500 Milliarden Euro bleiben.» Damit diese Summe an möglichen Krediten aber auch wirklich verfügbares Geld ist, sei vorstellbar, dass parallel zum ESM die 200 Milliarden Euro aus dem EFSF bestehen bleiben, die für Hilfen an Irland, Portugal und Griechenland schon verplant sind.
Volle ESM-Kapazität 2015
Ursprünglich sollten diese bereits verplanten EFSF-Hilfen mit dem ESM verrechnet werden – also von den verfügbaren ESM-Notkrediten abgezogen werden. Jetzt stehen sie zunächst zusätzlich bereit. Der ESM wird zudem nur schrittweise mit Barkapital durch die Euro-Länder ausgestattet, um Notkredite vergeben zu können. Seine volle Kapazität erreicht er nach bisherigen Plänen 2015. Dann erst könnte er auch tatsächlich bis zu 500 Milliarden Euro Hilfskredite zahlen. Merkel zufolge soll der ESM-Vorgänger EFSF zwar wie geplant Mitte 2013 normal auslaufen. Die bereits verplanten 200 Milliarden Euro EFSF-Hilfen sollten aber parallel so lange laufen, bis die Empfängerländer sie zurückgezahlt haben. «Das wird einige Jahre dauern», sagte Merkel. Danach werde der ESM wieder allein als Hilfsfonds bereitstehen mit maximal 500 Milliarden Euro. Die EFSF-Notkredite haben Laufzeiten von bis zu 30 Jahre.
«Normalsituation» noch nicht eingetreten
Mit dieser Position werde Wolfgang Schäuble (CDU) zum informellen Treffen der Euro-Finanzminister Ende der Woche in Kopenhagen reisen. Sie könnte Grundlage sein, dass auch der IWF seinen Schutz erweitere. Dann sei «sehr kompakter Schutz» möglich, sagte Merkel. Sie betonte, vieles habe sich zum Besseren gewendet, eine «Normalsituation» sei aber noch nicht eingetreten. Die wirkliche Überwindung der Staatsschuldenkrise werde noch eine ganze Weile dauern. Deutschland war im Streit über eine Rettungsschirm-Vergrösserung bisher auf die Bremse getreten. Schäuble hatte in der vergangenen Woche erstmals signalisiert, dass man die Haltung aufgeben könnte. Er hatte dieses Umdenken damit begründet, dass die Bareinzahlungen der Euro-Länder in den ESM nicht rasch genug erfolgen.
Euro-Länder international unter Druck
Die Euro-Länder stehen unter internationalem Druck, den Schutzwall zu verstärken. Partner der G20-Staatengruppe sind sonst nicht bereit, ihrerseits den IWF zu stärken, damit der Weltwährungsfonds Krisenstaaten besser helfen kann. Auch der Koalitionspartner CSU zeigt sich nach anfänglichem Widerstand kompromissbereit. «Diese Rettungsschirme bedeuten noch nicht eine Erhöhung der Haftung», sagte Parteichef Horst Seehofer. Innerhalb der Partei ist der Schritt aber weiter umstritten. Seehofer hatte bisher zwei rote Linien genannt: Der ESM solle nicht auf über 500 Milliarden Euro aufgestockt werden; die deutsche Gesamthaftung dürfe nicht über 211 Milliarden steigen. Seehofers Argumente laufen darauf hinaus, dass der Gesamtrahmen der Bürgschaften nicht gleichbedeutend mit tatsächlichen Zahlungen sei.
Für die Zustimmung des Bundestages zum dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM ist nach Einschätzung der Bundesregierung nur eine einfache Mehrheit nötig. Regierungssprecher Steffen Seibert und der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Kotthaus, widersprachen am Montag in Berlin Darstellungen, das Gesetz benötige im Parlament und in der Länderkammer eine Zweidrittelmehrheit. An dieser Einschätzung habe sich nichts geändert, sagte Seibert. Laut Kotthaus haben dies auch die verfassungsgebenden Ressorts ausgiebig geprüft. (awp/mc/ps)