EU-Gipfel in Brüssel begonnen: Migrationsstreit im Mittelpunkt
Brüssel – Beherrscht vom Streit über die Asylpolitik hat am Donnerstag der EU-Gipfel in Brüssel begonnen. Unter hohem Erfolgsdruck sucht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dort nach einem Ausweg aus dem erbitterten Asylstreit mit der CSU. Bis zum Wochenende will sie eine europäische Lösung präsentieren, die Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer vom nationalen Alleingang bei Zurückweisungen von mehr Migranten an der deutschen Grenze abhält.
Zwar ist Migration das Hauptthema für Merkel und die übrigen EU-Staats- und Regierungschefs. Vorab dämpften deutsche Regierungskreise und EU-Diplomaten aber die Erwartung an eine kurzfristige Lösung, die das Weiterziehen von registrierten Asylbewerbern von einem Land zum anderen unterbinden könnte.
Tusk wirbt für Flüchtlings-Sammellager ausserhalb der EU
EU-Ratspräsident Donald Tusk warb zu Beginn für seine Idee von Flüchtlings-Sammellagern ausserhalb der EU. Zur Bekämpfung illegaler Migration sollten sich die Staats- und Regierungschefs auf die EU-Aussengrenzen konzentrieren. Die Alternative seien chaotische Grenzschliessungen auch innerhalb der Staatengemeinschaft und wachsende Konflikte unter den EU-Ländern.
Auch Merkel unterstrich den Schutz der europäischen Aussengrenzen als vorrangiges Ziel der Flüchtlingspolitik. Beim Eintreffen in Brüssel betonte sie auch die geplante Stärkung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex und die Notwendigkeit, die sogenannte Sekundärmigration von Asylbewerbern innerhalb der EU zu begrenzen.
Weitere Themen bei dem EU-Gipfel sind der Handelskonflikt mit den USA und eine mögliche Verlängerung der Russland-Sanktionen wegen der Ukrainekrise sowie am Freitag eine Stärkung der Eurozone und die Brexitverhandlungen.
«Schicksalsfrage»
Am Morgen hatte Merkel in einer Regierungserklärung in Berlin erklärt, der Streit um die Asylpolitik gefährde den Zusammenhalt in der EU. Die Migration könnte zu einer «Schicksalsfrage für die Europäische Union werden», sagte die Kanzlerin.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) fehlte während Merkels Erklärung auf der Regierungsbank. Seehofer will im Juli anordnen, dass Asylbewerber, die in anderen EU-Staaten schon registriert wurden, an der deutschen Grenze abgewiesen werden. Auf diese Massnahme zur Begrenzung der Zuwanderung will die CSU nur verzichten, falls Merkel beim EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag eine europäische Vereinbarung zur Asylpolitik erreicht, die unter dem Strich den gleichen Effekt hätte.
EU-Staaten nicht bereit – Merkel fordert «Koalition der Willigen»
Merkel dämpfte jedoch die Erwartungen an das Gipfeltreffen. Sie sagte, die EU-Staaten seien noch nicht bereit, sich auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem zu einigen. In fünf von sieben Kernfragen zur Migrationspolitik herrsche zwar inzwischen weitgehend Einigkeit. Probleme gebe es aber noch bei der Einführung gleicher Standards bei der Bearbeitung von Asylanträgen und in der Frage der «solidarischen Verteilung von Migranten und Flüchtlingen».
Deshalb sei es sinnvoll, jetzt schon eine «Koalition der Willigen» zu bilden. Diese solle sicherstellen, dass sich der Schutzsuchende, «in Europa nicht das Land aussuchen» kann, in dem er seinen Asylantrag stellt. Sie schlägt vor, afrikanischen Staaten mehr Studienplätze und Arbeits-Visa anzubieten, damit nicht mehr so viele ihr Leben auf Schlepperbooten riskieren. (awp/mc/pg)