München – Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz die US-Politik scharf kritisiert. Sie warnte vor einem Zerfall internationaler politischer Strukturen.
«Wir dürfen sie nicht einfach zerschlagen», sagte die CDU-Politikerin am Samstag offensichtlich in Anspielung auf US-Präsident Donald Trump. «Es gibt sehr viele Konflikte, die uns herausfordern.»
Merkel warnte Trump davor, die US-Armee vorschnell aus den Bürgerkriegsländern Syrien und Afghanistan zurückzuziehen. Bei den anderen wichtigen Streitpunkten wie der Gaspipeline Nord Stream 2 oder dem Export deutscher Autos in den USA wich die Kanzlerin keinen Schritt zurück.
«Wir sind stolz auf unsere Autos»
Das US-Handelsministerium ist nach Angaben von Merkel offensichtlich zu der Einschätzung gekommen, dass europäische Autos eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA darstellen. Das sei für Deutschland erschreckend, sagte Merkel. «Wir sind stolz auf unsere Autos. Das dürfen wir ja auch.»
Auf der Grundlage der Einschätzung des Handelsministeriums könnte US-Präsident Donald Trump neue Sonderzölle einführen. Der Wert europäischer Auto- und Autoteilexporte in die USA wurde zuletzt von der EU-Kommission auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr.
Merkel sagte, sie verstehe nicht, wie die Amerikaner deutsche Autos als Gefahr für die nationale Sicherheit einstufen könne. «Diese Autos werden gebaut in den Vereinigten Staaten von Amerika. In US-Bundesstaat South Carolina sei das grösste BMW-Werk. «Nicht in Bayern, in South Carolina», betonte sie. «Ich glaube, es wäre gut, wir kommen in gute Gespräche miteinander», sagte die Kanzlerin.
Nato als Stabilitätsanker
Merkel plädierte für einen Ausbau der internationalen Zusammenarbeit, die grossen Probleme einer sich schnell verändernden Welt zu lösen. «Wir müssen in vernetzten Strukturen denken. Die militärische Komponente ist davon eine», sagte die Kanzlerin. Sie betonte dabei die Bedeutung der Nato. «Wir brauchen die Nato als Stabilitätsanker in stürmischen Zeiten. Wir brauchen sie als Wertegemeinschaft.»
Sie warnte die Bündnispartner davor, alle Beziehungen zu Russland zu kappen. Damit würde man die Zusammenarbeit mit Russland ganz China überlassen würde. «Wir wollen auch ein bisschen an den Handelsbeziehungen teilnehmen», betonte sie.
Merkel verteidigte in diesem Zusammenhang die Gas-Pipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee. Die Abhängigkeit Europas von russischem Gas hänge nicht davon ab, ob die Pipeline gebaut werde oder nicht. «Ein russisches Gasmolekül bleibt ein russisches Gasmolekül, egal, ob es über die Ukraine kommt oder ob es über die Ostsee kommt.»
Die USA und osteuropäische Länder werfen Deutschland vor, die Abhängigkeit von russischem Gas bei der Energieversorgung durch den Pipeline-Bau zu erhöhen. Niemand wolle das, sagte Merkel. Sie fügte aber hinzu: «Wenn wir im Kalten Krieg (…) russisches Gas in hohem Umfang eingeführt haben, dann weiss ich nicht, warum die Zeiten heute so viel schlechter sein sollen, dass wir nicht sagen, Russland bleibt ein Partner.»
Aufruf an China
Sie rief China dazu auf, sich an Versuchen zur Rettung des INF-Abrüstungsvertrages zu beteiligen. Sie wisse, dass es bei dem Thema auf chinesischer Seite viele Vorbehalte gebe. Abrüstung sei aber ein Thema, dass alle umtreibe.
Die USA hatten den INF-Vertrag Anfang des Monats mit Rückendeckung der Nato-Partner zum 2. August gekündigt. Offizielle Begründung sind Vorwürfe gegen Russland, das Abkommen seit Jahren zu verletzen. (awp/mc/ps)