Merkel und Macron wollen Europa krisenfester machen
Meseberg – Deutschland und Frankreich wollen den Euro krisenfester machen und eine milliardenschwere Investitionsoffensive starten. Dazu soll ein Eurozonen-Budget im Rahmen der bisherigen Haushaltstrukturen geschaffen werden, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einem Spitzentreffen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Dienstag im brandenburgischen Meseberg. Das neue Budget soll ab 2021 greifen. Die Höhe muss noch auf EU-Ebene verhandelt werden. Es gehe darum, Länder zu begleiten, die Probleme haben und die Unterschiede zwischen den Volkswirtschaften der Euro-Zone zu verringern, um die Eurozone zu stabilisieren, so Macron.
Der Fall Griechenland hatte den Euro-Staaten gezeigt, dass gerade die enormen wirtschaftlichen Unterschiede zu solchen Finanz-Schocks führen können, die die Euro-Zone als Ganzes gefährden. «Wir erweitern das Spektrum», betonte Merkel. Der bisherige Euro-Rettungsschirm ESM soll zu einer Art Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden, um den Euro dauerhaft besser gegen neue Finanzkrisen zu schützen. Zudem sind einheitlichere Bankenregeln im Rahmen der Bankenunion geplant – der ESM soll als letztes Auffangnetz bei Bankenpleiten einspringen; mit öffentlichem Geld könnten also kriselnde Banken gerettet werden.
Merkel betonte, sie sei «selbstverständlich optimistisch», trotz des heftigen Streits mit der CSU eine Mehrheit für die Vorschläge in ihrer Koalition zu bekommen. Die Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bruno Le Maire hatten in Marathonsitzungen das Paket vorbereitet.
Macron hatte zunächst ein separates Euro-Budget verlangt – aber die Bundesregierung möchte keine neuen Parallelstrukturen schaffen. Merkel hat für einen nun geplanten neuen Investitionstopf zuletzt einen Betrag im unteren zweistelligen Milliardenbereich genannt. Eine Option zum Füllen des Fonds sollen Einnahmen aus einer geplanten Finanztransaktionssteuer sein.
«Neues Kapitel»
«Wir schlagen in der ganzen Breite ein neues Kapitel auf», betonte Merkel mit Blick auf die in einer «Meseberger Erklärung» festgehaltenen Ergebnisse. Diese sollen als Basis für weitere Verhandlungen beim EU-Gipfel am 28./29. Juni dienen.
«Wir brauchen europäische Antworten», sagte sie mit Blick auf die internationalen Herausforderungen. Eine Ausweitung von Investitionen soll die Ungleichgewichte in Europa mindern. Besonders die strukturschwachen Gegenden in Europa sind die Hochburgen von Populisten.
Macron sagte: «Wir beginnen nun eine zweite Etappe im Leben unserer gemeinsamen Währung.» Es gehe darum, Krisen besser zu verhindern und die Stabilität der Eurozone zu erhöhen. Er hatte im September 2017 Vorschläge zur «Neugründung eines souveränen, vereinten und demokratischen Europas» vorgelegt – und wegen der schwierigen Regierungsbildung in Deutschland lange auf Merkels Antwort gewartet.
Macron sagt Merkel Unterstützung im Asylstreit zu
Macron hat Merkel angesichts des Asylstreits mit der CSU Unterstützung für eine europäische Lösung zugesagt. Deutschland und Frankreich versicherten sich gegenseitig, dass bereits in der EU registrierte Flüchtlinge so schnell wie möglich in das Land zurückgeschickt werden können, in dem sie erstmals erfasst worden seien, sagte Macron nach dem Treffen mit Merkel.
Macron sagte, Deutschland und Frankreich arbeiteten gemeinsam an einer Lösung mit verschiedenen Staaten, die betroffen seien, wie etwa Italien, Griechenland und Spanien. «Wir werden mit allen unseren Partnern weiter an diesen Themen arbeiten.»
Merkel will im Umfeld des EU-Gipfels Ende Juni Vereinbarungen mit anderen EU-Staaten treffen, damit dort schon registrierte Asylbewerber nach einer Abweisung an der deutschen Grenze zurückgenommen werden. Dabei geht es auch um die Transitländer, wie zum Beispiel Österreich. Die Kanzlerin hatte zuvor gesagt, Frankreich habe Deutschland Kooperation zugesagt – ohne allerdings auf Einzelheiten einzugehen.
Merkel mächtig unter Druck
Merkel steht innenpolitisch sehr unter Druck. Die CSU hatte der Kanzlerin am Montag eine Frist von zwei Wochen zugebilligt, um bilaterale Abkommen mit anderen EU-Staaten zu schliessen.
Sollte Merkel bis zum EU-Gipfel Ende Juni keinen Erfolg haben, werde er im nationalen Alleingang Zurückweisungen an der Grenze anordnen, hatte Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Montag deutlich gemacht. Merkel lehnt dies bislang strikt ab. Sie drohte für den Fall eines Alleingangs des Bundesinnenministers indirekt mit der Entlassung Seehofers – dann wäre die Koalition am Ende.
Merkel betonte in Meseberg die Bedeutung einer europäischen Lösung in der Asyl- und Migrationspolitik. «Unser Ziel bleibt eine europäische Antwort auf diese Herausforderung.» Eine gemeinsame europäische Asylpolitik gestalte sich allerdings schwierig.
Auch Macron warb erneut für eine gemeinsame Lösung der EU-Staaten in der Asylpolitik. Es brauche in dieser Frage einen besseren Schutz der EU-Aussengrenzen und mehr Geschlossenheit. Nötig sei auch ein «effizientes System der Solidarität und Verantwortung», in dem die Flüchtlinge bei ihrer Ankunft auf europäischem Boden registriert würden und ein Asylverfahren beginne. Bisher ist zwar formal der EU-Staat für die Registrierung und das Verfahren zuständig, in dem ein Flüchtling zuerst ankommt. In der Praxis funktioniert das sogenannte Dublin-System aber oft nicht. (awp/mc/ps)