Schuldenkrise dominiert WEF-Beginn
Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrer Eröffnungsrede am WEF in Davos. (swiss-image.ch)
Davos – Die Schuldenkrise hat die Eröffnung des 42. Weltwirtschaftsforums (WEF) geprägt. Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf rief zu sofortigem Handeln auf, es stünden noch grössere Probleme an. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel will, dass die Staaten mehr Kompetenzen an Europa abgeben. In der Debatte um eine Aufstockung des dauerhaften Euro-Rettungsfonds ESM zeigte sich Merkel hart und warnte vor einer Überforderung Deutschlands. Deutschland stehe für den Euro ein. «Aber wir wollen nicht etwas versprechen, für das wir nicht einstehen können», sagte Merkel am Mittwochabend in Davos.
Der Euro-Stabilitäts- und Wachstumspakt sei nicht eingehalten worden, «so ist Vertrauen verloren gegangen». Die eigentliche Botschaft des jetzigen Fiskalpakts mit verfassungsmässigen Schuldenbremsen in allen Ländern sei: «Wir sind bereit für mehr Verbindlichkeit. Wir reden uns nicht mehr raus.» Es habe sich gezeigt, dass bei der Gemeinschaftswährung Euro die politischen Strukturen fehlten, damit das Ganze richtig funktionieren könne. «Wir sind in Europa an einem Punkt angelangt, wo Aussenpolitik in Innenpolitik übergeht», sagte Merkel.
Defizite lassen sich nicht mit Paukenschlag lösen
«Wir müssen uns damit abfinden, dass die EU-Kommission immer mehr eine Regierung für uns wird. Wir werden ein eher stärkeres europäisches Parlament haben», sagte Merkel auf eine Frage von WEF-Gründer Klaus Schwab. Dazu würden die Staats- und Regierungschefs zu einer Art zweiten Kammer. Und man habe eine Justiz durch den europäischen Gerichtshof. Allerdings mahnte Merkel zur Geduld: «Die Defizite sind über Jahre entstanden, deshalb werden sie sich nicht mit einem Paukenschlag lösen lassen.»
Vorgeschmack auf künftige Probleme
Für Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf liegt die Hauptverantwortung für Gegenmassnahmen – auch bei der Schuldenkrise – vorderhand bei den Regierungen der einzelnen Staaten. «Internationale Koordination ist nicht und wird nie ein Ersatz für Strukturreformen der einzelnen Länder sein», sagte Widmer-Schlumpf. Die Schuldenkrise ist sei nur ein Vorgeschmack auf künftige Herausforderungen. Die Finanzministerin rief deshalb in ihrer Eröffnungsrede in Davos zu sofortigem Handeln auf.
Wegen der alternden Bevölkerung kämen riesige Lasten auf die öffentlichen Finanzen zu. Diese entstünden nicht nur durch die Verpflichtungen der Sozialwerke, sondern auch durch die schnell steigenden Kosten für das Gesundheitswesen. Auch bei der Energie- und Umweltpolitik stünden Herausforderungen bevor.
WEF als Sanatorium
WEF-Gründer Schwab sprach ebenfalls von dramatischen, weltweiten Veränderungen und dem dringenden Bedarf an Reformen und neuen gesellschaftlichen Modellen. Es brauche Unternehmertum, Innovation, entschlossenes Handeln und Führerschaft. Es fehle an längerfristigen Visionen und gemeinsamen Werten. Burnout – also Überdruss und Überforderung angesichts der Probleme – sei verbreitet unter der Elite. Davos sei schon früher ein Sanatorium gewesen und sei dies heute in gewisser Weise für die Welt.
Treffen Widmer-Schlumpf – Merkel
Viele der insgesamt 280 Podiumsgespräche am WEF, das bis Sonntag dauert, befassen sich mit der Schuldenkrise und den trüben Wirtschaftsaussichten. Die 2600 Teilnehmenden, darunter sind 1600 Wirtschaftsspitzenleute, nutzen das Forum wie üblich auch für Gespräche hinter verschlossenen Türen. So traf Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf am Rande Kanzlerin Merkel. Dabei sei kurz, aber intensiv auch über das Steuerabkommen gesprochen worden, sagte ein Sprecher der Finanzministerin. Widmer-Schlumpf habe das Anliegen geäussert, dass sich Deutschland bei der EU für bilaterale Steuerabkommen einsetze. Denn die EU strebt eine gemeinschaftliche Lösung an. (awp/mc/pg/upd/ps)