Milliardenverlust: Boeing-Chef rechnet mit noch längerer Durststrecke

Boeing

(Unsplash)

Arlington – Der neue Boeing-Chef Kelly Ortberg bereitet Anleger und Mitarbeiter nach über fünf Jahren Dauerkrise auf eine noch längere Durststrecke vor. Es werde Zeit brauchen, um den Konzern wieder zu alter Stärke zurückzubringen, sagte der Chef des Luftfahrt- und Rüstungskonzerns am Mittwoch angesichts eines weiteren Milliardenverlusts im dritten Quartal. «Aber mit dem richtigen Fokus und der richtigen Kultur können wir wieder ein ikonisches Unternehmen und ein führender Luftfahrtkonzern werden.»

In einem Brief an die Mitarbeiter räumte Ortberg ein, dass das Vertrauen in den US-Konzern zerbröselt sei. «Wir haben zu viele Schulden angehäuft.» Zudem seien im ganzen Unternehmen «schwerwiegende Leistungsmängel zu verzeichnen, die viele unserer Kunden enttäuscht haben». Jetzt müsse der Konzern sich neu ordnen und ein schlankeres Unternehmen werden.

Quartalsverlust von 6,2 Mrd Dollar
Im dritten Quartal schrieb der Konzern wie bereits bekannt tiefrote Zahlen. Wegen des wochenlangen Streiks von 33.000 Beschäftigten, einer weiteren Verzögerung beim modernisierten Grossraumjet 777X und milliardenschweren Mehrkosten in der Rüstungs- und Raumfahrtsparte stand unter dem Strich ein Minus von fast 6,2 Milliarden US-Dollar. Boeing hatte Eckdaten bereits vergangene Woche veröffentlicht.

Angesichts der Verluste braucht der Konzern dringend frisches Geld. Dank einer neuen Kreditlinie von 10 Milliarden Dollar hat der Hersteller nach eigenen Angaben jetzt Zugriff auf 20 Milliarden Dollar von den Banken. Zudem plant er nach jüngsten Angaben eine Kapitalerhöhung und die Aufnahme neuer Schulden in Höhe von bis zu 25 Milliarden Dollar.

Massiver Stellenabbau
Um die Kosten zu senken, will Ortberg rund jede zehnte Stelle im Konzern streichen. Zum vergangenen Jahreswechsel zählte Boeing noch insgesamt 170.000 Beschäftigte.

Im Tarifstreit mit der Gewerkschaft IAM zeichnet sich inzwischen eine Lösung ab. Der Flugzeugbauer bietet den Mitarbeitern nun unter anderem eine Einkommenserhöhung von 35 Prozent über eine Laufzeit von vier Jahren an. Die Gewerkschaft will ihre rund 33.000 Mitglieder an diesem Mittwoch über den Vorschlag abstimmen lassen.

Boeing steckt seit dem Jahr 2019 in einer schweren Krise. Nach dem Absturz zweier Mittelstreckenjets vom Typ 737 Max hatten Luftfahrtbehörden in aller Welt Flugverbote für das Modell verhängt. Nach technischen Verbesserungen dürfen die Jets zwar weitgehend wieder fliegen, doch seitdem tauchten an einer Vielzahl von Boeing-Modellen neue Probleme auf.

Zu den Problemkindern zählen auch der jüngste Langstreckenjet 787 «Dreamliner» und das Raumschiff «Starliner». Nachdem Boeing in diesem Jahr bereits den Chef der Verkehrsflugzeug-Sparte ausgetauscht hatte, musste inzwischen auch der Chef der Raumfahrt- und Rüstungssparte gehen.

Der bisherige Boeing-Chef Dave Calhoun, der in der ersten Phase der 737-Max-Krise seinen Vorgänger Dennis Muilenburg abgelöst hatte, gab die Führung des Konzerns im August an Kelly Ortberg ab.

Airbus aus dem Sichtfeld
Im Massengeschäft mit Passagierflugzeugen ist Boeing schon lange hinter seinen Rivalen Airbus zurückgefallen. Der einstige Herausforderer aus Europa stieg zu Beginn von Boeings Krise im Jahr 2019 zum grössten Flugzeughersteller der Welt auf und hat die Position seitdem klar verteidigt.

Verschärft wurde Boeings Krise zuletzt vor allem im Januar. Da brach bei einer 737 Max von Alaska Airlines mitten im Flug ein türgrosses Rumpfteil heraus. Nur durch Glück wurde kein Insasse ernsthaft verletzt. Seitdem steht Boeing unter strenger Aufsicht der Luftfahrtbehörde FAA und darf die Produktion der 737-Reihe bis auf Weiteres nicht mehr ausweiten. (awp/mc/pg)

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