«Mister Euro» tritt mit Luxemburger Regierung nach Affäre ab

Jean-Claude Juncker

Luxemburg – Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker will samt Regierung wegen der Geheimdienst-Affäre zurücktreten. Er wolle dem Grossherzog eine Neuwahl vorschlagen, sagte der dienstälteste Regierungschef in der EU am Mittwoch nach einer siebenstündigen Debatte im Parlament. Seine Regierung zerbrach, weil der sozialdemokratische Koalitionspartner ihm in den Rücken fiel und Konsequenzen von ihm fordert. Ihm wird im Bericht eines Untersuchungsausschusses die politische Verantwortung für ein jahrelanges Eigenleben des heimischen Geheimdienstes mit illegalen Abhöraktionen zur Last gelegt. Zuvor hatte Juncker einen Rücktritt abgelehnt.

Seit 1995 steht er an der Spitze der Luxemburger Regierung. Juncker ist einer der Väter des Euro. Er war wesentlicher Autor des EU-Maastricht-Vertrags. Von 2005 bis Januar 2013 stand er an der Spitze der Eurogruppe, der Finanzminister der Länder mit Euro-Währung. Juncker könnte auch bei der Neuwahl wieder antreten.

Vertrauen entzogen
Juncker sagte, er stelle fest, dass die Oppositionsfraktionen ihm das Vertrauen entzogen hätten und sein Koalitionspartner von seinen Erklärungen nicht überzeugt sei. Eine übergrosse Mehrheit des Parlaments sei für vorgezogene Wahlen. Juncker setzte eine Kabinettssitzung für diesen Donnerstag an. Das Wort Rücktritt nahm er nicht in den Mund. Sein Koalitionspartner, die Sozialistische Arbeiterpartei, hatte gefordert, dass er die Verantwortung für die Affäre übernimmt und es zur Neuwahl kommt. Die vier Oppositionsparteien wollten ihm das Vertrauen entziehen.

Fehler eingeräumt
Juncker räumte Fehler ein, rechtfertigte sein Handeln aber. «Darum kann ich beim besten Willen – aber ich befinde mich in der Hand des Parlaments – keine persönliche Verantwortung auch subjektiver Natur erkennen», sagte der 58-Jährige. Über die massiven Vorwürfe sagte er: «Wenn ihr das meint, dann stimmt ab.» Der Regierungschef räumte ein: «Ich sage nicht, dass ich keinen Fehler gemacht habe.» Wenn Operationen schief gegangen seien, habe er sie aber gestoppt. Er habe nicht von allen Operationen gewusst und nicht alle Informationen überprüfen können.

Illegale Abhöraktionen
Juncker räumte illegale Abhöraktionen des Geheimdienstes ein. Fünf Aktionen habe es seit dem Jahr 2000 gegeben. Er habe aber umgehend den Geheimdienst-Chef beauftragt, alles zu durchforsten. Den Vorwurf mangelnder Information wies er zurück. Den Ministern habe er alle relevanten Informationen übermittelt. Auch eine Kontrollkommission sei informiert worden. Juncker räumte ein, dass der Geheimdienst nicht seine erste Priorität gewesen sei. «Das ist eine geheimnisvolle Welt.» Das reichte den Sozialdemokraten nicht. «Es sind massenhaft Fehler geschehen», sagte Parteichef Alex Bodry. Juncker müsse die politische Verantwortung übernehmen.

Wie aus einem Spionagethriller
Was sich in Luxemburg abgespielt haben soll, gleicht einem James-Bond-Film. Der damalige Chef des Geheimdienstes Srel, Marco Mille, hatte mit einer Spezialuhr 2007 heimlich ein Gespräch mit Juncker aufgenommen. Ende 2008 erfährt Juncker davon, erst 2010 geht Mille. Juncker sagte, er habe von diesem Abhören nichts gewusst. Auch eine Bombenleger-Affäre spielt eine Rolle dabei. Es geht um eine Serie von 20 Sprengstoffanschlägen zwischen 1984 und 1986 mit mehreren Verletzten. Das Gerücht kursiert, dass ein Zeuge den Luxemburger Prinzen Jean in den 1980er Jahren bei einem Bombenanschlag beobachtet haben soll, was dieser bestreitet. (awp/mc/ps)

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