Moslembrüder gewinnen erste Wahlrunde in Ägypten
Zehn Monate nach dem Sturz Hosni Mubaraks zeichnet sich ab, welchen Weg das neue Ägypten gehen wird. (Bild: Gérard Al-Fil)
Kairo – Nun ist es offiziell: die Muslimbrüder und die ultra-konservativen Salafisten haben bei der ersten Etappe bei den Parlamentswahlen am Nil die Mehrheit auf sich vereint.
von Gérard Al-Fil
Laut dem offiziellen Ergebnis konnten beide Gruppen fast 60% der zehn Millionen Stimmen gewinnen: 37% für die Bruderschaft, ein Fünftel für die Salafisten. Rund zwei Drittel der Stimmberechtigten gingen an die Urnen. Der als liberal geltenden Block von Ägypten belegt den dritten Platz. Das Resultat bedeutet noch keine finale Zusammensetzung des Parlaments in Kairo. Die Wahlen werden schrittweise bis März 2012 abgehalten.
Die Muslimbrüder wohlen einen moderat-islamischen Staat. Salafisten berufen sich auf die ersten Generationen der Muslime, die in direkten Kontakt zum Gründer des Islam, dem Propheten Muhammed standen. Die Salafisten lehnen Tanz und das Abspielen von Musik ab.
Siegeszug der Religiösen
Nach Tunesien zeichnet sich damit in einem weiteren arabischen Land eine Machtübernahme durch Religiöse ab. Arabiens Abkehr von technokratischen, pro-westlichen Regierungen ist nicht isoliert zu betrachten. Auch das Verhalten westlicher Staaten der islamischen Welt und der muslimischen Minderheit in ihren eigenen Ländern gegenüber tragen zum Vormarsch islamistischer Parteien bei.
Vor zwei Jahren, am 29. November 2009 nahm eine Mehrheit des Schweizer Stimmvolks die Verbotsinitiative zum Bau von Minaretten an. Damit ist in der Schweiz als einzigem Land der Welt der Bau von an Moscheen angebundenen Türmen untersagt. Auch dies hat den Muslimbrüdern geholfen. Denn je mehr es im Westen Tendenzen gibt, den Islam in die Schranken zu weisen, desto stärker gewinnt in der muslimischen Welt die «jetzt-erst-recht»-Haltung an Fahrt. Nie war zwischen Marokko und dem Irak das Bekenntnis zum Verein von Religion und Staat (arab. Dien wa Daula) grösser als heute.
Weil pro-westliche Staatsführer wie Mubarak gegen die anti-islamischen Tendenzen in Europa kaum ihre Stimme erhoben, wuchs der Frust in der arabischen Bevölkerung. Die wirtschaftliche Not am Nil brachte das Fass schliesslich zum Überlaufen.
Das Schweizer Stimmvolk hat ergo zum Siegeszug der Islamisten in Nordafrika nicht unwesentlich beigetragen.