San Francisco – Tech-Milliardär Elon Musk beginnt nach der Übernahme von Twitter, dem Online-Dienst seinen Stempel aufzudrücken. Unter anderem will er neues Gremium zum Umgang mit kontroversen Inhalten schaffen. Bevor ein solcher Rat zusammentrete, werde es keine grossen Entscheidungen zur Inhalte-Politik oder der Wiederherstellung von Accounts geben, schrieb er bei Twitter. Damit wäre auch die von Musk in den vergangenen Monaten ins Gespräch gebrachte Freischaltung des Accounts von Ex-Präsident Donald Trump nicht umgehend zu erwarten.
Zugleich versprach Musk am Wochenende per Tweet: «Alle, die aus geringfügigen und zweifelhaften Gründen gesperrt wurden, werden aus dem Twitter-Gefängnis freikommen.» Er zeigte sich zudem offen dafür, für Tweets die Begrenzung auf 280 Zeichen aufzuheben. Auch fand er es eine gute Idee, wenn Nutzer die Wahl zwischen verschiedenen Versionen des Dienstes haben könnten: «Wie eine Alterseinstufung im Kino.»
Tesla-Softwareentwickler begutachten Programmcodes
Laut Medienberichten sollten auch umgehend Stellenstreichungen bei Twitter eingeleitet werden. Der Finanzdienst Bloomberg schrieb, Musk habe Software-Entwickler des von ihm geführten Elektroautobauers in die Twitter-Zentrale geholt, um den Programmcode der Plattform zu begutachten. «Business Insider» berichtete, Musk sei in internen Profilen mit dem Titel Firmenchef aufgetaucht. Zuvor war bereits berichtet worden, er wolle den Posten zusätzlich zum Spitzenjob unter anderem bei Tesla und seiner Weltraumfirma SpaceX übernehmen.
Keine offiziellen Verlautbarungen
Musk hatte am Donnerstag die rund 44 Milliarden schwere Übernahme des Online-Dienstes abgeschlossen. Offizielle Angaben zum Geschehen bei Twitter blieben seitdem weitgehend aus. Auch die Entlassung von Top-Managern rund um den bisherigen Chef Parag Agrawal wurde zunächst nur über Medienberichte bekannt. Details zu seinen Plänen für die Twitter-Zukunft nannte Musk bisher ebenfalls nicht. Das könnte auch so weitergehen: Mit Kauf nimmt Musk Twitter von der Börse und muss danach nicht mehr über die Entwicklung des Geschäfts informieren.
Musk hatte oft kritisiert, bei Twitter werde die Redefreiheit zu sehr eingeschränkt. Das weckte Sorgen, bei Twitter könnte es unter seiner Kontrolle mehr Hass und Hetze geben. Die Bildung des Inhalte-Rates könnte nun einen vorsichtigeren Kurs signalisieren.
Keine Bevorzugung
Zugleich sprang Musk auf eine Beschwerde aus dem rechten politischen Spektrum auf, wonach Twitter im Sinne «der Linken» zensiert werde. «Ich werde das prüfen», schrieb er. Twitter solle keine der Seiten bevorzugen. Der Dienst fährt seit Jahren einen strikten Kurs gegen falsche Informationen zu Wahlen – und vor allem Trump-Anhänger sprechen von Zensur. Musk solidarisierte sich zuletzt politisch mit der weiter von Trump beherrschten Republikanischen Partei. Die Demokraten von US-Präsident Joe Biden seien zur «Partei der Spaltung und des Hasses geworden», schrieb er im Mai bei Twitter.
Details zum dem geplanten Gremium gab Musk zunächst allerdings nicht bekannt. Beim Facebook-Konzern Meta gibt es schon seit einiger Zeit ein unabhängiges Expertengremium, das etwa die Löschung von Beiträgen und die Sperrung von Accounts rückgängig machen kann. Die Entscheidungen des Gremiums sind für das Management bindend. (awp/mc/pg)