Der Airbus A320neo am Donnerstag auf Jungfernflug in Toulouse. (Foto: Airbus)
Toulouse – Der Himmel über Toulouse hat die Zukunft von Airbus gesehen: Mit dem Erstflug des Verkaufschlagers A320neo erreicht der europäische Flugzeugbauer im Kampf um die Vorherrschaft bei Mittelstreckenflugzeugen ein Etappenziel. Der Flieger startete am Donnerstag in Toulouse zu einem knapp zweieinhalbstündigen Erstflug.
Die fünfköpfige Crew, darunter eine Technikerin, zog die erste von acht Testmaschinen mit einem Gewicht von etwa 60 Tonnen pünktlich um 12.00 Uhr von der Startbahn des Flughafens Blagnac in den frühherbstlich-schönen Himmel. Airbus hat seine Zentrale in der südfranzösischen Stadt Toulouse. Dem Erstflug sollen nun rund 3000 Flugstunden für die notwendigen Tests folgen.
Airbus-Chef Fabrice Brégier gratulierte dem Entwicklungsteam. Das neue Flugzeug baue «auf dem herausragenden Erfolg der A320-Familie auf», sagte Brégier nach dem gelungenen Erstflug, der von einem breiten Medienaufgebot, Branchenvertretern, Mitarbeitern und Kunden verfolgt wurde. Und sogar auf dem offiziellen Twitter-Account des Rivalen Boeing war zu lesen: «Glückwünsche an Airbus zum Erstflug der A320neo, ein Meilenstein für die gesamte Branche.»
Treibstoffverbrauch soll um 15 Prozent sinken
Von der Weiterentwicklung der alten A320 erhofft sich Airbus, mit besseren Verbrauchswerten den Erfolg in der am meisten verkauften Flugzeugklasse zu sichern. Durch neue Triebwerke und aerodynamische Flügelenden, bei Airbus Sharklets genannt, soll der Treibstoffverbrauch um 15 Prozent sinken. In dieser Flugzeugklasse sollen zwischen 160 und 240 Passagiere Platz finden.
Für das Flugzeug liegen nach Angaben des Herstellers bisher knapp 2500 feste Bestellungen vor. Für die gesamte Klasse der Kurz- und Mittelstreckenmaschinen mit nur einem Mittelgang, zu der auch die A319 und die A321 gehören, sind gut 3300 Aufträge von mehr als 60 Kunden verzeichnet. US-Konkurrent Boeing setzt in diesem Marktsegment mit der 737-MAX ebenfalls auf eine Neuauflage seiner Mittelstreckenjets.
Erstauslieferungen 2015 an Qatar Airways und Lufthansa
Airbus will die laut Listenpreis knapp 79 Millionen Euro teure A320neo auch am Standort Hamburg bauen. Die ersten Exemplare der 2010 angeschobenen Neuentwicklung sollen im kommenden Jahr an Qatar Airways und die Lufthansa ausgeliefert werden. Von den acht Testfliegern will Airbus sechs Maschinen in Hamburg montieren. Auch die Auslieferung des ersten Exemplars an einen Kunden soll in der Hansestadt erfolgen.
Für die grosse Nachfrage nach der A320-Familie will Airbus die Produktion des Jets steigern. Derzeit werden monatlich 42 Maschinen in dieser Klasse gefertigt. Bis 2016 will Airbus vier Jets mehr schaffen und dann 46 Mittelstreckenflieger pro Monat bauen. Davon sind etwa 22 Flugzeuge für die Endmontage in Hamburg vorgesehen. Dort wird auch der Rumpf für alle Modelle der Familie gefertigt.
Die A320neo fliegt in der Brot- und Butterklasse der grossen Flugzeughersteller. Trotz eines von Airbus prognostizierten zunehmenden Bedarfs grosser Flugzeuge bildet die Mittelklasse bisher das Rückgrat bei den Verkaufszahlen.
Deutliches Wachstum im weltweiten Luftverkehr erwartet
In den kommenden 20 Jahren erwartet der grösste europäische Flugzeughersteller ein deutliches Wachstum im weltweiten Luftverkehr. Bei einem jährlichen Plus von 4,7 Prozent im Passagierverkehr sollen in den kommenden zwei Jahrzehnten rund 31’400 neue Flugzeuge für jeweils mehr als 100 Passagiere notwendig sein. Airbus errechnet daraus ein Marktpotenzial von rund 3,6 Billionen Euro. Der weltweite Flugzeugbestand würde sich damit auf 37 500 mehr als verdoppeln.
Neben Verkaufschlagern aus der A320neo-Familie setzt Airbus dabei auf wachsenden Bedarf an grossen Flugzeugen mit zwei Gängen. Bei einer Verdopplung der Passagierzahlen alle 15 Jahre und nur wenig Erweiterungskapazitäten vieler wichtiger Flughäfen sagt Airbus Grossraumfliegern wie der kurz vor Erstauslieferung stehende A350 XWB, der geplanten A330neo oder dem Airbus-Flaggschiff A380 eine gute Zukunft vorher. Verkaufschef John Leahy ist zuversichtlich: «Wir erwarten dort ein besonders starkes Wachstum.» Allerdings verkauft sich gerade das Airbus-Flaggschiff A380 schleppend. Derzeit lagen Ende August noch Bestellungen für 318 Exemplare des Jets vor. (awp/mc/upd/ps)