Nato streitet weiter um Libyen
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen.
Brüssel – Auch drei Tage nach dem Beginn von westlichen Militäraktionen gegen Ziele in Libyen hat sich die Nato immer noch nicht auf die eigene Rolle in diesem Konflikt geeinigt. Frankreich lehnte am Montag noch einmal die von anderen Nato-Staaten geforderte Führungsrolle des Bündnisses bei dem Militäreinsatz ab. Die Türkei stimmte einem entsprechenden Nato-Mandat ebenfalls nicht zu.
Frankreich, Grossbritannien und die USA haben unter Berufung auf ein Mandat des UN-Sicherheitsrates seit Samstag mehrfach mit Raketen Ziele in Libyen angegriffen. Damit sollen die Truppen von Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi gehindert werden, Oppositionelle zu verfolgen. Während die Nato-Botschafter in Brüssel verzweifelt nach einer Kompromissformel suchten, verteidigte der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle die Enthaltung Berlins bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat. Zudem bekräftigte er: «Die Bundeswehr wird nicht nach Libyen geschickt.» Westerwelle sagte: «Es ist sehr wohl so, dass unsere Skepsis auch von einigen anderen Mitgliedern der EU geteilt wird.»
EU einig über Sanktionen
Die EU-Aussenminister beschlossen eine Erklärung zu Libyen, in der sie nach Angaben der EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton die Umsetzung der UN-Resolution «in unterschiedlicher Weise» versprachen. Die EU sei bereit, auch mit militärischen Mitteln dazu beizutragen, dass humanitäre Hilfe in Libyen unter Koordinierung der Vereinten Nationen geleistet werden könne. Zudem könnten auch Rettungsaktionen für Flüchtlinge mit Schiffen geplant werden. So etwas bedeute «auch operativ erhebliche Risiken», räumte Westerwelle ein. Die EU beschloss auch eine Verschärfung der Sanktionen gegen die libysche Staatsführung und deren engste Helfer. Neun Firmen – darunter drei führende Geschäftsbanken – wurden in eine Liste von Unternehmen aufgenommen, deren Konten in der EU eingefroren werden. Auch wurde die Liste von knapp 30 Personen, denen die Einreise in die EU verboten wurde und deren Konten in der EU gesperrt wurden, um elf Mitglieder des Führungskreises von Gaddafi erweitert.
Deutschland hofft auf vollständiges Ölembargo
Deutschland hofft darauf, dass die EU noch in dieser Woche auch ein vollständiges Ölembargo gegen Libyen beschliesst. «Es besteht Handlungsbedarf über die beschlossenen Sanktionen hinaus», sagte Westerwelle. Spätestens beim EU-Gipfel an diesem Donnerstag, möglichst aber noch vorher, solle ein solches Embargo beschlossen werden. Äusserungen des Generalsekretärs der Arabischen Liga, Amre Mussa, wurden bei den EU-Aussenministern unterschiedlich interpretiert. Er hatte am Sonntag Besorgnis über mögliche zivile Opfer der Militärschläge geäussert. Am Montag sagte er nach einem Treffen mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Kairo: «Wir respektieren die UN-Resolution 1973, wir haben nichts dagegen einzuwenden, vor allem weil diese Resolution weder zu einem Einmarsch noch zu einer Besetzung des libyschen Staatsgebietes aufruft.»
Paris will Nato keine Führungsrolle zugestehen
Westerwelle fühlte sich in seiner skeptischen Haltung zu Militäreinsätzen bestätigt. Der luxemburgische Aussenminister Jean Asselborn hingegen sagte: «Ich habe keine Informationen, dass die Koalition bisher über das Mandat (des UN-Sicherheitsrates) hinausgegangen ist.» Die spanische Aussenministerin Trinidad Jiménez sagte: «Was die internationale Gemeinschaft hinsichtlich der UN-Resolution tut, ist absolut legal.» Frankreichs Aussenminister Alain Juppé bekräftigte, dass Paris der Nato keine Führungsrolle beim Libyen-Einsatz zugestehen wolle: «Für die Arabische Liga ist klar, dass es keine Führung der Nato geben sollte», sagte er. Es sei «kein Drama», dass Deutschland an dem Militäreinsatz nicht teilnehme: «Das stellt die deutsch-französische Beziehung nicht in Frage. Es ist nicht zum ersten Mal, dass Deutschland und Frankreich sich nicht einig sein. Das hat nie fundamentalen Zusammenhalt in Frage gestellt.» (awp/mc/ps)
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