Israels Premierminister Benjamin Netanjahu.
Tel Aviv / Gaza – Israel stellt sich nach den Worten seines Regierungschefs auf eine Fortsetzung des Gaza-Kriegs auch im kommenden Monat ein. Die Offensive werde andauern, «bis ihre Ziele erreicht sind», sagte Benjamin Netanjahu am Sonntag zum Auftakt einer Regierungssitzung in Tel Aviv. Sein Finanzminister Jair Lapid drohte mit gezielten Angriffen auf die politische Führung der radikal-islamischen Hamas auch im Ausland. Fast sieben Wochen nach Beginn des Gaza-Kriegs geriet Israel an zwei weiteren Fronten unter Raketenbeschuss. Aus Syrien und dem Libanon wurden in der Nacht zum Sonntag insgesamt sieben Raketen abgefeuert.
Auch die heftigen Raketenangriffe aus dem Gazastreifen dauerten am Sonntag an. Israels Luftwaffe setzte ihre intensiven Attacken am Wochenende fort und griff am Sonntagmorgen in der Stadt Gaza ein Motorrad an. Dabei seien zwei Palästinenser getötet und vier weitere verletzt worden, berichtete der israelische Rundfunk.
13-stöckiges Hochhaus in Gaza zerstört
Ein fünfstöckiges Haus in Gaza sei nach massivem Beschuss zusammengebrochen, berichtete der Sender. In Rafah im Süden des Gazastreifens sei ein siebenstöckiges Gebäude beschossen worden, in dem das Innenministerium der Hamas Büros habe. Am Samstag hatte die Armee zwei Bomben auf ein 13-stöckiges Hochhaus in Gaza abgeworfen und es damit vollständig zerstört.
Israel hatte der Bevölkerung im Gazastreifen am Samstag neue Angriffe angekündigt. Die Armee warf Flugblätter ab, auf denen sie die Menschen aufrief, sich von Orten fernzuhalten, an denen militante Palästinenser Raketen abschiessen. «Jeder Ort, von dem aus geschossen wird, ist ein Ziel», sagte Netanjahu.
«Die ranghohen Hamas-Funktionäre müssen wissen, dass wir sie jagen und fassen werden, und dass sie den Preis für das zahlen werden, was sie im Süden Israels anrichten», sagte Lapid. «Niemand ist gefeit – nicht die politische Führung, und nicht die Exilführung.»
Raketen auf Golanhöhen
Der Gaza-Krieg könne noch «Zeit in Anspruch nehmen», sagte Netanjahu. «Wir sind darauf vorbereitet, dass der Kampf auch nach Beginn des neuen Schuljahrs weitergeht.» Das Schuljahr beginnt in Israel und den Palästinensergebieten am 1. September.
Fünf aus Syrien abgefeuerte Raketen schlugen in der Nacht an verschiedenen Orten auf den Golanhöhen ein. Nur Stunden zuvor hatten Extremisten aus dem Libanon zwei Raketen auf den Norden Israels abgefeuert. Ein Haus in Galiläa sei getroffen worden, teilte der israelische Rundfunk mit. Acht Menschen hätten einen Schock erlitten. Israel legte den Angaben zufolge Beschwerde bei der internationalen Beobachtertruppe Unifil im Südlibanon ein.
Die neuen Angriffe nährten die Sorge vor einer Ausweitung des Gazakonflikts. Seit Beginn des Kriegs am 8. Juli wurden mehr als 2100 Menschen getötet und mehr als 10 600 verletzt, wie das Gesundheitsministerium in Gaza mitteilte. Auf israelischer Seite kamen 64 Soldaten und 4 Zivilisten ums Leben, Hunderte mussten medizinisch behandelt werden.
Hamas tötet erneut Kollaborateure
Die Hamas setzt die Tötung mutmasslicher Kollaborateure im Gazastreifen fort. Hamas-Kämpfer erschossen am Samstag vor Dutzenden Zeugen im Hof einer Moschee in Dschabalija vier Männer, die der Zusammenarbeit mit Israel bezichtigt wurden, wie die Nachrichtenagentur Maan meldete. Bereits am Donnerstag und Freitag hatten die Extremisten mindestens 21 Männer getötet, die mit Israel zusammengearbeitet haben sollen. Das Vorgehen gegen die angeblichen Informanten folgte auf gezielte Tötungen von Hamas-Funktionären durch die israelische Armee.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte ein Ende der Kämpfe. Die Konfliktparteien müssten sobald wie möglich an den Verhandlungstisch zurückkehren, sagte Abbas in Kairo. Zuvor hatte er sich mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi getroffen, dessen Regierung in dem Konflikt zu vermitteln sucht.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon telefonierte erneut mit Netanjahu und forderte, die Konfliktparteien müssten bald eine dauerhafte Feuerpause vereinbaren sowie erneut «ernsthafte Verhandlungen» über eine Zwei-Staaten-Lösung aufnehmen.
Überlebende des Holocausts prangern israelischen Militäreinsatz an
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel rief das Emirat Katar auf, im Gazakonflikt auf die Hamas einzuwirken. Das Emirat, einer der engsten Verbündeten der Hamas, müsse die Bemühungen um eine friedliche Lösung unterstützen und dürfe «nicht in eine ganz andere Richtung arbeiten», sagte Merkel im Sommerinterview der ARD («Bericht aus Berlin»).
Mit einer grossen Anzeige in der «New York Times» prangerten Überlebende des Holocausts den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen als «Massaker an den Palästinensern» an. Die 327 Unterzeichner aus den USA und vor allem Europa bezeichnen sich selbst als Überlebende oder Nachkommen von Opfern des Nazi-Völkermords, die den Einsatz der israelischen Armee «unmissverständlich verurteilen». (awp/mc/ps)