Neuanfang bei ThyssenKrupp – Übernimmt Ulrich Lehner?

Ulrich Lehner

Ulrich Lehner, ehemaliger Interims-VRP Novartis.

Novartis-Interimspräsident Ulrich Lehner.

Düsseldorf – Nach der überraschenden Rücktrittsankündigung von ThyssenKrupp-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme sind die Spekulationen über seine Nachfolge im angeschlagenen Konzern voll entbrannt. Hans-Peter Keitel und Ulrich Lehner, beide Mitglieder des Kontrollgremiums, wurden am Wochenende in Presseberichten bereits als die Favoriten auf den Posten genannt. Beide Topmanager gelten als angesehen und kompetent. Ein ThyssenKrupp-Sprecher wollte sich zu den Personalien allerdings nicht äussern.

Dass ausgerechnet die beiden Manger ins Spiel kommen, dürfte Branchenkenner kaum verwundern. Lehner und Keitel haben Erfahrungen in der Leitung und Kontrolle grosser Konzerne, sind angesehen und in der Politik bestens vernetzt. Lehner ist in zahlreichen Aufsichtsgremien aktiv, unter anderem als Chefkontrolleur bei der Deutschen Telekom und Interimspräsident beim schweizerischen Pharmariesen Novartis . Der 65-jährige Keitel leitete von 1992 bis 2007 den Baukonzern Hochtief und wurde ein Jahr später BDI-Präsident. Beide Manager, berichtete der «Spiegel» unter Berufung auf Aufsichtsratskreisen, könnten sofort den Posten übernehmen.

Milliarden-Debakel
Cromme hatte am Freitag überraschend angekündigt, sich zum 31. März vollständig aus dem Unternehmen zurückzuziehen. Hintergrund sind das Milliarden-Debakel der Stahlwerke in Amerika, Kartellverstösse und Korruptionsfälle. Im vergangenen Geschäftsjahr hatte das Unternehmen, das seit zwei Jahren von Heinrich Hiesinger geführt wird, einen Verlust von 5 Milliarden Euro verbucht. Für die Fehlentwicklungen wurde Cromme, der auch Aufsichtsratschef von Siemens ist, mitverantwortlich gemacht. Auch die Krupp-Stiftung, mit rund 25 Prozent das eigentliche Machtzentrum des Konzern, wird der Manager verlassen.

Ob Cromme, der auch bei Siemens die Geschäfte des Vorstands überwacht, aus freien Stücken ging oder zum Rücktritt gedrängt wurde, ist nicht klar. Der Chef der Krupp-Stiftung, der 99-jährige Berthold Beitz, stand lange fest zu ihm. Es wird von Beobachtern für möglich gehalten, dass die neuerlichen Kartellvorwürfe gegen ThyssenKrupp das Fass zum Überlaufen brachten. So soll das Unternehmen gemeinsam mit Konkurrenten zulasten der Automobilkunden Preise bei Stahlprodukten abgesprochen haben. Konzernchef Hiesinger sprach von einem «Schlag gegen den Ruf des Konzerns».

Razzien bei Top-Kader-Mitgliedern
Wie das «Handelsblatt» (Montagausgabe) berichtet, hat das Bundeskartellamt bei seinen Ermittlungen vor anderthalb Wochen das Topmanagement des Ruhrkonzerns ins Visier genommen. Bei den Razzien seien auch die Privaträume von einem Bereichsvorstand und einem früheren Vorstand der Stahltochter Thyssen-Krupp Europe durchsucht worden, schreibt die Zeitung unter Berufung auf Unternehmenskreise. Einer der beiden Manager sei im Herbst bei Thyssen-Krupp ausgeschieden und arbeite inzwischen für einen Autozulieferer. Thyssen-Krupp habe einen Kommentar dazu abgelehnt. Die Manager seien für eine Stellungnahme nicht erreichbar gewesen.

Laut «Spiegel» hat sich Beitz mit Cromme angeblich bereits seit geraumer Zeit darauf verständigt, dass er Verantwortung für den desolaten Zustand des Stahlriesen übernehmen müsse. Der «Focus» berichtete dagegen, Cromme habe erst nach einem Gespräch mit Beitz am Freitag, in dem dieser ihm mitteilte, dass er nicht mehr das Vertrauen der Mitglieder des Kuratoriums habe, Konsequenzen gezogen.

Mit seinem Rückzug ist nun auch die Nachfolge von Beitz in der Krupp-Stiftung wieder offen. Der Firmenpatriarch hatte Cromme vor Jahren als seinen Nachfolger aufgebaut und ihn zum stellvertretenden Vorsitzenden der Stiftung gemacht. Jetzt steht er dazu nicht mehr bereit. In dem Kuratorium sitzen derzeit zwölf Mitglieder, darunter NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und seit kurzem auch der frühere WDR-Intendant Fritz Pleitgen. (awp/mc/upd/ps)

Exit mobile version