Neue Gipfelrunde: Hoffen auf Durchbruch im Streit um EU-Spitzenjobs

Neue Gipfelrunde: Hoffen auf Durchbruch im Streit um EU-Spitzenjobs
EU-Ratspräsident Donald Tusk. (Foto: © European Union)

Brüssel / Strassburg – Kanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen wollen an diesem Dienstag einen neuen Versuch unternehmen, den Streit über das neue Spitzenpersonal der Europäischen Union beizulegen. Trotz Marathonberatungen haben sie bisher keine Einigung erzielt. Deshalb hatte EU-Ratschef Donald Tusk den Sondergipfel in Brüssel am Montag vertagt.

Zwischenzeitlich hatte es nach einer Annäherung ausgesehen. Der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans wurde als Favorit für die Nachfolge von Jean-Claude Juncker an der Spitze der EU-Kommission gehandelt, wie Diplomaten in Brüssel am Montag sagten. Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), könnte demnach EU-Parlamentspräsident werden. Doch gegen diese Lösung gibt es erhebliche Widerstände.

Visegrad-Staaten gegen Timmermans
Die östlichen Visegrad-Staaten sind gegen Timmermans. «Morgen werden wir meiner Einschätzung nach von Neuem beginnen, auch wenn unsere Position aus unserer Sicht sehr klar ist», sagte der tschechische Ministerpräsident beim EU-Gipfel am Montag in Brüssel. Timmermans sei für ihn der «Schöpfer der Migrationsquoten», erklärte Babis laut der Agentur CTK. «Das ist eine Persönlichkeit, die sich sehr negativ profiliert hat und bestimmte Vorurteile gegenüber unserer Region hat», kritisierte der Gründer der liberal-populistischen Partei ANO.

Weber selbst besteht bei der Suche nach einem neuen Kommissionspräsidenten auf Einhaltung demokratischer Spielregeln, ist aber auch für einen Kompromiss bereit. Er strecke die Hand aus, obwohl die EVP die Wahl gewonnen habe, sagte er am Montagabend im ZDF heute journal. Dennoch müsse sich das Ergebnis der Europawahl in der Besetzung der Spitzenpositionen Europas spiegeln. «Wir sind zu Kompromissen bereit», betonte er.

Der Generalsekretär der Europäischen Sozialdemokraten (SPE), Achim Post, rief das Europaparlament auf, den Druck auf die Staats- und Regierungschefs aufrecht zu erhalten und einen der Spitzenkandidaten der Europawahl im Mai durchzusetzen. «Alles andere wäre ein Wortbruch gegenüber dem europäischen Wähler», sagte er der Rhein-Neckar-Zeitung (Heidelberg, Dienstag). «Man kann ja nicht erst Spitzenkandidaten in die Europawahl schicken, um danach zu sagen: «War nicht so gemeint.»»

Weitere Posten zu belegen
Zudem müssen noch weitere Posten besetzt werden. Gesucht werden ausserdem Nachfolger für die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini sowie für Ratspräsident Tusk selbst. Herauskommen soll ein ausgewogenes Personalpaket, das Parteizugehörigkeit, Herkunft und Geschlecht berücksichtigt.

Die Zeit für eine Einigung drängt. Sechs Wochen nach der Europawahl kommen an diesem Dienstag die 751 Abgeordneten des neuen EU-Parlaments in Strassburg zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen. Nach der Eröffnung durch den scheidenden Präsidenten Antonio Tajani treffen sich die neuen Fraktionen zu internen Beratungen. Bereits am Mittwoch wollen die Abgeordneten dann ihren neuen Präsidenten wählen. Wer das sein wird, könnte nach den Gesprächen in Brüssel klar sein. Es ist der erste Posten des Personalpakets, dessen Besetzung Auswirkungen auf die anderen hat.

Am Montagabend warf auch die deutsche Grünen-Politikerin Ska Keller ihren Hut für das Amt der Parlamentspräsidentin in den Ring. Die Europäischen Grünen würden die 37-Jährige für die Wahl am Mittwoch vorschlagen, hiess es in einer Mitteilung. «Ich möchte das Europäische Parlament demokratischer, offener und transparenter machen», sagte Keller. Für das Amt der Vizepräsidentin des EU-Parlaments meldete nach einem Medienbericht die SPD-Politikerin Katarina Barley ihre Kandidatur an. «Ich möchte mich als Vize-Präsidentin des Europaparlaments bewerben», sagte die frühere Bundesjustizministerin dem «Business Insider». «Die Europäische Union hat ein Kommunikationsproblem und ich möchte dem EU-Parlament mehr Gehör verschaffen.»

«Es ist kompliziert»
Eine Einigung sei kompliziert, aber hoffentlich doch machbar, hatte Merkel am Montag nach der Vertagung gesagt. «Es ist so, dass wir viele Enden zusammenbringen müssen.» Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte sich tief enttäuscht vom Verlauf der Gespräche: «Unsere Glaubwürdigkeit ist tief beschädigt.» Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez sprach von «enormer Frustration».

Die Verhandlungslage ist vertrackt. Der CSU-Politiker Manfred Weber war Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), die bei der Europawahl Ende Mai wieder stärkste Fraktion im Europaparlament wurde, allerdings Verluste hinnehmen musste. Timmermans führte die Sozialdemokraten auf Platz zwei. Weber beanspruchte daher die Juncker-Nachfolge für sich. Er stiess im Rat der Staats- und Regierungschefs aber auf Widerstand, auch im EU-Parlament bekam er keine Mehrheit für seine Wahl zusammen.

Mitte vergangener Woche hatte Merkel zunächst intern sondiert, welche Möglichkeiten für den EVP-Kandidaten bestehen. Am Rande des G20-Gipfels in Japan führte die Kanzlerin dann am Wochenende Vorgespräche mit Macron, Sánchez und dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte. Dabei bahnte sie einen Kompromiss an.

Demnach war ein Sozialdemokrat – also Timmermans – als Kommissionschef vorgesehen. Im Kreis der konservativen Regierungschefs bekam Merkel am Sonntag dann allerdings heftig Gegenwind. (awp/mc/ps)

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