Neuer ThyssenKrupp-Chef räumt auf – Börse feiert Umbau

Heinrich Hiesinger

Heinrich Hiesinger, ehemaliger Vorstandsvorsitzender Thyssenkrupp.

Heinrich Hiesinger, neuer Vorstandsvorsitzender ThyssenKrupp.

Essen – Der neue ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger räumt beim hochverschuldeten Stahl- und Industriegüterunternehmens auf. Er will das Geschäft mit Edelstahl und zahlreiche andere Sparten des weit verzweigten Konzerns loswerden und sich insgesamt von 10 Milliarden Euro oder rund einem Viertel des Umsatzes trennen.

Dies teilte das Unternehmen am späten Donnerstagabend in Essen mit. In den betroffenen Sparten arbeiten 35.000 der zuletzt rund 177.000 Beschäftigten. Der seit Ende Januar amtierende Hiesinger hatte im Januar einen weitreichenden Umbau des Konzerns angekündigt, dabei aber noch keine Details genannt. Er will die Schuldenlast von zuletzt fast sechs Milliarden Euro senken und so neue Spielräume für die Expansion in den Schwellenländer gewinnen. Die Pläne kamen an der Börse gut an. Das Papier legte deutlich zu.

Neuer Anlauf für Edelstahlbereich
Der frühere Siemens-Manager forciert damit den zuletzt eingeschlagenen Kurs des Unternehmens. Der 1999 aus der Fusion der beiden Traditionsunternehmen Thyssen und Krupp entstandene Konzern hatte sich seit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise von zahlreichen Geschäftsfeldern getrennt. Einen neuen Anlauf plant Hiesinger für den Edelstahlbereich. Bereits sein Vorgänger Ekkehard Schulz hatte versucht, für die lange defizitäre Sparte einen Partner zu finden. Auf dem Höhepunkt der Krise musste der Konzern dann aber diese Pläne zunächst ad acta legen. Stattdessen setzte Schulz noch kurz vor seinem Eintritt in den Ruhestand eine Sanierung des Bereichs mit seinen 11.000 Mitarbeitern durch.

Aufsichtsrat muss Plänen noch zustimmen

Experten sehen seit langem Konsolidierungsbedarf im Edelstahlsektor. ThyssenKrupp will nun wieder «alle Optionen für eine Weiterentwicklung der Geschäfte ausserhalb des Konzerns» prüfen. Die Trennung vom Gesamtkonzern hat der Vorstand den Angaben zufolge bereits beschlossen. Dadurch entstehe Spielraum für weitere Kosteneinsparungen. Zudem werde der Bereich flexibler – auch für potenzielle Partnerschaften. Erst zu Jahresbeginn hatte Konkurrent ArcelorMittal sein Edelstahlgeschäft mit einer ähnlichen Begründung ausgegliedert und unter dem Namen Aperam an die Börse gebracht.

Abstossung von Randsparten
Einschnitte plant Hiesinger auch im Automobilzulieferer-Geschäft. Dabei sollen Randsparten abgestossen werden. So sucht ThyssenKrupp nun nach einem Käufer für die US-Eisenguss-Tochter Wapuca. Auch die Werkstoffsparte Tailored Blanks, die Produkte für den Karosserie- und Fahrzeugbau entwickelt, soll abgestossen werden. Das Fahrwerk-Geschäft der Bilstein-Gruppe und von Presta Steering will er zunächst zusammenlegen und danach «alle Optionen» prüfen. Auch das klassische Federn- und Stabilisatorengeschäft sowie die brasilianische Sparte Automotive-Systems stehen zum Verkauf.

Neue Werke treiben Schulden nach oben
Den Plänen des neuen Chefs muss der Aufsichtsrat noch zustimmen. Die nächste Sitzung ist am kommenden Freitag (13. Mai). Dann legt der Konzern auch aktuelle Zahlen vor. Hiesinger war mit der Devise geholt worden, die Technologiesparte des Konzerns zu stärken. Allerdings begrenzen die hohen Schulden bislang seinen Handlungsspielraum. Deshalb betonte der Manager seit seinem Wechsel von Siemens zu ThyssenKrupp im Herbst vergangenen Jahres stets, dass der Schuldenabbau für ihn höchste Priorität habe. Die Schuldenlast war durch die Kostenexplosion beim Bau von zwei Stahlwerken in Brasilien und den USA kräftig angestiegen. Die Gesamtkosten beliefen sich schliesslich auf rund 10 Milliarden Euro. Derzeit belasten Verluste beim Anlauf der neuen Fabriken das Ergebnis von ThyssenKrupp.

Weltweit 2’300 Produktionsstätten, Büros und Stützpunkte
Mit den angekündigten Verkäufen wird der in insgesamt acht Bereiche aufgeteilte Konzern mit zuletzt insgesamt rund 2.300 Produktionsstätten, Büros und Servicestützpunkten in aller Welt übersichtlicher. Bereits Hiesingers Vorgänger Schulz hatte sich zuletzt von zahlreichen Sparten getrennt oder den Verkauf angekündigt. So verkaufte der Konzern 2009 die US-Gerüstbautochter Safway an einen Finanzinvestor und die Industrieservicesparte an die Frankfurter Wisag. Zudem wurden die Essener 2010 ihre griechische Werft HSY los, der weitgehende Verkauf der deutschen Werften an den arabischen Schiffbauer Abi Dhabi Mar steht kurz bevor. Ausserdem steht der Industriedienstleister Xervon seit längerem auf der Verkaufsliste. Seit Ende April ist zudem der Verkauf der Metallumformsparte an den spanischen Autozulieferer Gestamp besiegelt. (awp/mc/ps)

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