Nokia-CEO Stephen Elop.
London – Der unter bröckelnden Marktanteilen leidende weltgrösste Handybauer Nokia will sich wegen der Neuausrichtung nicht auf eine konkrete Prognose für das laufende Jahr festlegen. Es werde allerdings weiterhin quartalsweise Ausblicke geben, teilte das Unternehmen am Freitag in London mit.
Die Umsätze von Devices und Services dürften 2011 indes stärker als der Markt wachsen und die operative Marge bei zehn Prozent und mehr herauskommen. Die Aktie brach zum Handelsstart um mehr als neun Prozent ein. Zuvor hatte Nokia die Details seiner lang erwarteten Strategiewende veröffentlicht. Der Handybauer verbündet sich mit Microsoft, um seinen Abwärtstrend zu stoppen. Nokia werde unter anderem Microsofts Betriebssystem Windows Phone als zentrale Smartphone-Plattform übernehmen, hiess es von beiden Unternehmen vor einer Analystenkonferenz. Nokia hatte im Smartphone-Markt zuletzt deutlich an Boden gegen erfolgreichere Rivalen wie Apple mit seinem iPhone und das Google-Betriebssystem Android verloren. Marktanteile und Gewinne sanken.
«Kampf zwischen mobilen Ökosystemen»
«Heute wird aus einem Kampf mobiler Geräte ein Kampf zwischen mobilen Ökosystemen, und unsere Stärken in diesem Bereich ergänzen sich», hiess es in einem gemeinsamen Brief von Elop und Microsofts-Chef Steve Ballmer. Nokia setzte bei den Computer-Telefonen bisher vor allem auf das eigene Betriebssystem Symbian, das aber als veraltet gilt. Das System solle weiter unterstützt werden, hiess es am Freitag. Auch die Arbeit an der neuen offenen Plattform MeeGo werde fortgesetzt. Vor allem wollen die beiden Konzerne aber Windows Phone gemeinsam weiterentwickeln. So werde Nokia die Erfahrungen aus der Handy- Gestaltung und Unterstützung verschiedener Sprachen einbringen, hiess es. Ausserdem wird Nokia die Microsoft-Suchmaschine Bing für seine Handys und Dienste übernehmen. Nokias eigener Karten-Dienst wird bei Microsoft integriert.
Neue Struktur
Zudem verordnet Nokia-Chef Stephen Elop dem Konzern eine neue Struktur. Das Telefon-Geschäft wird aufgeteilt: Ein Bereich soll sich künftig mit Smartphones beschäftigen, ein anderer die Marktführung bei günstigeren einfachen Handys sichern. Nokia stehe an einem entscheidenden Scheideweg, sagte Elop. Der Kanadier stiess erst im Herbst von Microsoft zu Nokia. Die Allianz mit Microsoft war allgemein erwartet worden. In den vergangenen Tagen häuften sich Medienberichte über Verhandlungen zwischen den beiden Unternehmen. Zudem gelangte eine interne Brandrede Elops in die Öffentlichkeit, in der er schonungslos den Zustand von Nokia kritisierte. Unter anderem verglich er den Konzern mit einem Mann, der auf einer brennenden Bohrinsel steht und sich metertief ins eiskalte Wasser stürzen müsse, um zu überleben. Am Freitag ergänzte Elop im Kurznachrichtendienst Twitter: «Heute taucht Nokia nach vorn.»
Überholt von Adroid
Unter Druck steht Nokia vor allem bei den Smartphones. Ende vergangenen Jahres konnte Android das Symbian-System von Nokia überholen, beide liegen jetzt mit gut 30 Prozent vorn. Die Schwäche bei den teueren Computerhandys drückt auch die Gewinne. Und da die Smartphones einen immer grösseren Anteil am Mobilfunk-Geschäft haben, verliert Nokia auch an Boden im gesamten Handy-Markt. Im vergangenen Jahr fiel der Marktanteil nach Zahlen der Marktforscher von Gartner von 36,4 auf 28,9 Prozent. In früheren Jahren führte Nokia noch souverän mit rund 40 Prozent. Microsoft hatte sein Smartphone-Betriebssystem Windows Phone 7 im vergangenen Herbst auf den Markt gebracht. Die Plattform erwischte einen eher zögerlichen Start: Im vierten Quartal lag der Marktanteil bei gut drei Prozent. Einige Hersteller liessen durchblicken, dass sie vom Absatz der Geräte enttäuscht gewesen seien.
Nokia will weltweit Stellen abbauen
Nokia will weltweit Stellen abbauen. «Es wird weltweit einen substantiellen Stellenabbau geben», sagte CEO Stephen Elop am Freitag weiter London. Es gebe noch keine konkreten Zahlen, aber es liefen bereits Gespräche. Nokia hatte Ende 2010 knapp 132.500 Mitarbeiter. Nokia habe zu hohe Kosten, bekräftigte Elop den Bedarf an Sparmassnahmen. Spekulationen über eine Verlagerung der Nokia-Zentrale von Finnland in die USA erteilte Elop eine Absage. «Finnland ist unser Zuhause und wird es auch bleiben», sagte er. Der geplante Stellenabbau werde aber auch Finnland treffen. In den vergangenen Wochen war immer wieder das Gerücht aufgekommen, der Kanadier Elop, der früher für Microsoft gearbeitet hat, könnte wichtige Bereiche der Nokia-Zentrale nach Amerika verlegen.
Proteststreik gegen Sparpläne
Kurz nach Bekanntgabe einer neuen Nokia-Strategie für Smartphones haben rund 1.000 Mitarbeiter des finnischen Unternehmens die Arbeit niedergelegt. Wie der Rundfunksender YLE am Freitag berichtete, traten Mitarbeiter der Nokia-Betriebsstätte Tampere in einen Proteststreik. Die Beschäftigten verlangten Auskunft über die Zukunft ihrer Arbeit mit dem Smartphone-Betriebssystem Symbian. (awp/mc/ps)