Seoul – Nordkorea hat eigenen Angaben zufolge erfolgreich eine neuartige atomwaffenfähige Interkontinentalrakete (ICBM) getestet, die die USA erreichen kann. Machthaber Kim Jong Un habe selber die letzte Vorbereitungsphase für den Start einer ICBM des Typs «Hwasongpho-17» am Donnerstag angeleitet und den Abschussbefehl gegeben, berichteten die staatlich kontrollierten Medien am Freitag. Durch den Test habe «die Zuverlässigkeit ihres sofortigen Einsatzes unter Kriegszeitbedingungen» nachgewiesen werden können. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Nordkorea bestätigte damit den Test, der am Tag zuvor sofort die Nachbarländer Südkorea und Japan alarmiert hatte. Südkoreas Präsident Moon Jae In warf dem weitgehend isolierten Nordkorea vor, das selbst auferlegte Moratorium für Tests mit militärischen Langstreckenraketen vollends durchbrochen zu haben, die Sicherheit in der Region zu bedrohen und gegen UN-Resolutionen zu verstossen.
Die Resolutionen untersagen Nordkorea den Test von ICBM und anderer ballistischer Raketen. Bei solchen Raketen handelt es sich in der Regel um Boden-Boden-Raketen, die je nach Bauart auch einen Atomsprengkopf tragen können. Der UN-Sicherheitsrat will sich laut eigener Website noch am Freitag in New York mit Nordkorea befassen.
«Abschreckung eines Atomkriegs»
Nordkoreanische Medien beschrieben das neuartige Waffensystem als «zentrales Angriffsmittel der strategischen Streitkräfte der Volksrepublik und zuverlässiges Mittel zur Abschreckung eines Atomkriegs». Den USA wurde unterstellt, Nordkorea nuklear zu bedrohen. Sein Land sei «vollständig zu einer langfristigen Konfrontation mit den US-Imperialisten bereit», wurde Kim zitiert.
Die Gespräche der USA mit Nordkorea über sein Atomwaffenprogramm kommen seit mehr als drei Jahren nicht mehr voran. Experten nehmen daher an, Pjöngjang könnte auch versuchen, mit seinen jüngsten Raketentests den Druck auf Washington zu erhöhen. Das Land hatte in diesem Jahr bereits mehrere Raketentests unternommen.
USA: Tür zum Dialog weiter geöffnet
Die US-Regierung verurteilte den jüngsten ICBM-Test Nordkoreas ebenfalls aufs Schärfste, betonten aber, die Tür zum Dialog sei weiter geöffnet. Nordkorea müsse jedoch seine destabilisierenden Handlungen unverzüglich einstellen. Japans Verteidigungsminister Nobuo Kishi sprach am Freitag von einer «ernsthaften Bedrohung mit einer anderen Dimension als zuvor». Der Test stelle eine ernste Bedrohung des Friedens und der Stabilität Japans und der internationalen Gemeinschaft dar.
US-Aussenminister Antony Blinken und sein südkoreanischer Amtskollege Chung Eui Yong riefen nach Angaben des Aussenministeriums in Seoul zu einer entschiedenen Reaktion auf. Zusätzliche Massnahmen des UN-Sicherheitsrats seien in diesem Zusammenhang unbedingt nötig. Ähnlich äusserten sich Chung und sein japanischer Kollege Yoshimasa Hayashi den Angaben zufolge in einem Telefonat. Nordkorea ist wegen seines Atomwaffenprogramms harten internationalen Sanktionen unterworfen.
Höhe von über 6200 km erreicht
Den nordkoreanischen Medien zufolge wurde die «Hwasongpho-17» am internationalen Flughafen von Pjöngjang abgefeuert, erreichte nach einem senkrechten Aufstieg eine Höhe von über 6200 Kilometern und traf das vorgesehen Ziel im Japanischen Meer (koreanisch: Ostmeer) 1090 Kilometer vom Startpunkt entfernt. Die Angaben deckten sich damit in etwa mit denen des südkoreanischen Militärs vom Tag zuvor. Es war damit der bisher grösste Test einer ICBM durch Nordkorea. Zu ICBM zählen Raketen, die mehr als 5500 Kilometer weit fliegen können.
Nordkorea hatte bereits 2017 drei ICBM-Tests unternommen. Nach dem Test einer Hwasong-15 genannten ICBM im November jenes Jahres liess die Führung in Pjöngjang über die Staatsmedien verkünden, das Land sei nun in der Lage, das gesamte Festland der USA mit Atomsprengköpfen anzugreifen. Ob Nordkorea damals bereits technisch dazu in der Lage war, wurde von Experten bezweifelt. (awp/mc/pg)