Seoul / Tokio – Nach seinen beiden weltweit verurteilten Tests mit Interkontinentalraketen im Juli heizt Nordkorea den Konflikt weiter an. Unbeeindruckt von allen Strafmassnahmen schoss die weitgehend isolierte Führung in Pjöngjang am Dienstagmorgen (Ortszeit) erneut eine ballistische Rakete ab, die dieses Mal über Japan flog, wie der Generalstab der südkoreanischen Armee mitteilte.
An den Finanzmärkten sorgte der erneute Raketentest für Verunsicherung. Aktienkurs gaben grösstenteils nach, wobei sich die Verluste in Grenzen hielten. Gesucht waren dagegen die sogenannten sicheren Häfen wie Gold oder der japanische Yen, in die Investoren bei zunehmender politischer Unsicherheit ihr Geld schieben.
Die Rakete sei in einem Gebiet nahe der Hauptstadt Pjöngjang abgefeuert worden und etwa 2700 Kilometer weit geflogen. Dabei habe sie eine Höhe von 550 Kilometern erreicht, bevor sie in den Pazifik niedergegangen sei. Japan sprach von einer «beispiellosen ernsten» Bedrohung. Südkorea warf Nordkorea schwere Provokation vor und demonstrierte mit Bombenübungen militärische Stärke.
Warnsignal
Nordkoreas jüngster Raketentest wurde in Südkorea auch als Warnsignal gewertet, trotz zunehmenden Drucks durch die USA im Konflikt um sein Atomprogramm nicht einlenken zu wollen. Der Test erfolgte während laufender Militärübungen der USA mit Südkorea. Nordkorea unterstellt den USA regelmässig, mit solchen Manövern einen Angriff vorzubereiten. Das bestreiten die USA und Südkorea.
Nach Berichten südkoreanischer Medien wollte sich der UN-Sicherheitsrat in New York auf Antrag der USA, Japans und Südkoreas noch am Dienstag mit dem jüngsten Raketentest durch das diplomatisch isolierte Nordkorea befassen. Nach den beiden Interkontinentalraketentests im Juli hatte das höchste UN-Gremium die bisher schwersten Wirtschaftssanktionen gegen Pjöngjang verhängt. Am vergangenen Samstag hatte Nordkoreas Militär drei Kurzstreckenraketen ins Japanische Meer (koreanisch: Ostmeer) geschossen. Eine der Raketen explodierte bei dem Test nach Angaben des US-Militärs bereits kurz nach dem Abheben.
Mit dem jüngsten Test erreicht der Konflikt um Nordkorea eine neue Eskalationsstufe. Es war nicht das erste Mal, dass eine Rakete Nordkoreas über Japan hinwegflog. Es sei aber das erste Mal, dass das unangekündigt erfolgt sei, meldete der Sender NHK. Der Test stelle eine «ernste und schwerwiegende Bedrohung Japans dar», erklärte Regierungssprecher Yoshihide Suga. Man werde eng mit der Schutzmacht USA sowie Südkorea kooperieren.
Das US-Verteidigungsministerium bestätigte, dass die von Nordkorea abgefeuerte Rakete über Japan hinweg geflogen sei. Der Test werde derzeit noch ausgewertet, teilte Pentagon-Sprecher Robert Manning in Washington mit. Man sei aber bereits zu der Einschätzung gekommen, dass die Rakete keine Bedrohung für die USA dargestellt habe.
Nach Berichten des japanischen Senders NHK stürzten Teile des Flugkörpers etwa 1180 Kilometer östlich der nördlichsten Hauptinsel Hokkaido ins Meer. Japan habe jedoch keine Abwehrrakete gestartet, hiess es unter Berufung auf das Militär.
Südkorea lässt Kampfjets aufsteigen
In Südkorea wies Präsident Moon Jae In die Streitkräfte an, ihre Kampfkraft zu demonstrieren. Vier F15K-Kampfjets liessen daraufhin nach Angaben eines Sprechers auf einen Schiessplatz in der Nähe der innerkoreanischen Grenze Bomben fallen. Bei der Übung sei die nordkoreanische Führung als simuliertes Ziel ausgegeben worden, berichtete die nationale Nachrichtenagentur Yonhap. Washington und Seoul würden ausserdem darüber nachdenken, «strategische» Verteidigungswaffen nach Südkorea zu verlegen. Einzelheiten wurden zunächst nicht genannt.
Der Nationale Sicherheitsrat Südkoreas verurteilte den Raketentest durch Nordkorea als Verletzung von UN-Resolutionen. Diese verbieten dem Land Tests mit ballistischen Raketen. Das sind in der Regel Boden-Boden-Raketen, die je nach Bauart einen konventionellen, chemischen, biologischen oder atomaren Sprengkopf tragen können. Nordkorea arbeitet an Raketen, die einen Atomsprengkopf bis in die USA tragen können.
Der Nordkorea-Konflikt heizt sich seit Monaten auf. US-Präsident Donald Trump hatte Pjöngjang mit «Feuer und Zorn» gedroht, was angesichts der atomaren Bewaffnung beider Länder für Unruhe sorgte. Nordkorea drohte zeitweise damit, Raketen in die Gewässer um die US-Pazifikinsel Guam abzufeuern. (awp/mc/ps)