US-Präsident Barack Obama.
Washington – Mega-Finanzloch, Jobmarkt-Krise und die Wettbewerbsfähigkeit der grössten Volkswirtschaft der Welt: In seiner Rede zur Lage der Nation will US-Präsident Barack Obama klar die wirtschaftliche Zukunft des Landes ins Zentrum rücken. Der Auftritt vor den Kongress-Kammern am Dienstag wird zugleich die Weichen für die Präsidentenwahl 2012 stellen.
Die Fronten kristallisieren sich schon grob heraus: Obama will weiter in Bildung und Forschung investieren, die Republikaner setzen die Spar-Axt an. Bereits am Wochenende hatte der Präsident seine Stossrichtung skizziert. «Mein grundsätzlicher Fokus, mein Fokus Nummer eins, ist darauf gerichtet sicherzustellen, dass wir konkurrenzfähig sind, dass wir wachsen und dass wir Jobs schaffen», sagte er in einer Videobotschaft an seine Anhänger. Mit Staatsverschuldung und Defizit müsse «auf verantwortliche Weise» umgegangen werden. Teil der Lösung: Eine Regierung, die «schlanker und schlauer» ist.
Republikaner halten Rotstift bereit
Allen Sparzwängen zum Trotz – bei Bildung, Forschung und Entwicklung wie auch bei der maroden Infrastruktur des Landes will der Präsident nachlegen. «Alles Bereiche, die nach Ansicht vieler Republikaner reif für tiefe Einschnitt sind», beschreibt die «Washington Post» am Montag den heraufziehenden, zentralen Konflikt der zweiten Hälfte von Obamas erster Amtszeit. Man wolle sich seine Vorschläge anschauen, sagte der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, am Wochenende. «Aber das ist nicht die Zeit, in vielen Bereichen den Regierungs-Geldhahn aufzudrehen.» Auch der neue Fraktionschef der Republikaner im Abgeordnetenhaus, Eric Cantor, machte unmissverständlich klar, dass seine Partei kräftig den Rotstift ansetzen werde – wie vor der Kongresswahl vom November versprochen, die den Konservativen einen massiven Sieg beschert hatte.
Staatsverschuldung bei 14 Billionen Dollar
Unterschiedliche Philosophien, dasselbe Problem: Inzwischen hat die US-Staatsverschuldung schwindelerregende 14 Billionen Dollar (10,3 Billionen Euro) erreicht, das jährliche Defizit pendelt um eine Billion Dollar. Gemessen an der Wirtschaftsleistung der USA war die Lage seit dem Zweiten Weltkrieg nie schlimmer – das ist Folge unter anderem zweier Kriege und kräftiger Steuererleichterungen in der Vergangenheit. Die Finanz- und Wirtschaftskrise gab den angeschlagenen Staatsfinanzen dann den Rest. Dazu kommt die hartnäckig hohe Arbeitslosigkeit von über neun Prozent. Experten rechnen allenfalls in vier bis fünf Jahren mit Normalisierung.
«Jeder Dollar muss auf den Tisch»
An guten Absichten mangelt es nicht, auf beiden Seiten. Cantor signalisierte, seine Partei sei sogar zu Einschnitten im Verteidigungshaushalt bereit – bislang eine Heilige Kuh für die Konservativen. «Jeder Dollar muss auf den Tisch», erklärte er entschlossen. Viele Demokraten und Republikaner zeigen sich massiven Reformen der Sozialsysteme gegenüber offen. Im Gespräch sind eine Anhebung des Renteneintrittsalters und Leistungskürzungen der staatlichen Krankenkasse für Wohlhabendere.
«Don’t touch»
Was daraus wird, ist fraglich. Zwar fordern vor allem die Konservativen gern die Reduzierung staatlicher Eingriffe, verteufeln sie gar bisweilen als blanken Sozialismus. Doch hängen die Amerikaner sehr an ihren sozialen Staatsprogrammen. «Das amerikanische Volk sagt: Rührt die staatliche Rente nicht an, rührt Medicare (die staatliche Krankenkasse für ältere US-Bürger) nicht an, rührt den Verteidigungsetat nicht an», stöhnte schon der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Senat, der Demokrat Kent Conrad. «Aber das sind schon einmal 84 Prozent des Bundesetats.»
Obama zu Kompromissen bereit
Aus dem Weissen Haus heisst es derweil, Obama ziehe auch eine deutliche Verringerung der Unternehmenssteuer in Erwägung – ein klares Signal der Kompromissbereitschaft an die erstarkten Republikaner. Denn wenn der Präsident am Dienstag zur besten Sendezeit seine Bestandsaufnahme zur Verfassung der Nation vorlegt, wird es das erste Mal in seiner Amtszeit sein, dass die meisten seiner Zuhörer im Kongress politische Gegner sind. (awp/mc/ps/21)
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