Obamas Gesundheitsreform auf der Kippe
Obama muss sich um «seine» Gesundheitsreform Sorgen machen.
Washington – Die Gesundheitsreform von US-Präsident Barack Obama steht auf der Kippe. Bei einer entscheidenden Anhörung des Supreme Court in Washington habe sich die Mehrheit der Richter am Dienstag «besorgt» über das Gesetz geäussert, berichteten Beobachter. Mit ihrem Urteil, das frühestens im Juni erwartet wird, könnten sie das wichtigste Projekt aus Obamas bisheriger Amtszeit in Teilen oder sogar komplett kippen. Für den Präsidenten wäre das ein herber Schlag mitten im Kampf um seine Wiederwahl.
Das Oberste Gericht will klären, ob die US-Verfassung dem Kongress und der Regierung das Recht gibt, Bürger mit einem Bussgeld zum Abschluss einer Krankenversicherung zu zwingen. Vor allem die fünf konservativen der insgesamt neun Richter äusserten sich am Dienstag kritisch über die Zulässigkeit der Reform. Sie «droht, die Beziehung zwischen dem Staat und dem Individuum auf fundamentale Art zu verändern», sagte der Richter Anthony Kennedy, dessen Votum im ideologisch geteilten Gericht als das Zünglein an der Waage gilt.
CNN-Justizexperte sieht Gesetz in «ernster Gefahr»
Der renommierte Justizexperte des TV-Senders CNN, Jeffrey Toobin, meinte nach der Sitzung, Obamas Gesetz sei in «ernster Gefahr». «Meistens sind die Fragen in Anhörungen ein ziemlich gutes Anzeichen, wohin die Marschrichtung geht.» Einige Richter hätten die Meinung durchblicken lassen, der Staat dürfe sich nicht in alle Lebensbereiche einmischen.
Pro und contra
Einer ähnlichen Argumentation folgen die Kläger gegen das Gesetz, darunter 26 Bundesstaaten. «Die Frage ist, ob der Kongress zum ersten Mal in unserer Geschichte die Macht hat, die Menschen in eine Handelsbeziehung zu zwingen», sagte ihr Vertreter Paul Clement. Der Rechtsbeistand der Regierung, Donald Verrilli, dagegen betonte, der Staat habe das Recht zur Regulierung des Gesundheitswesens, damit alle Menschen versichert seien. Anders funktioniere das System nicht, sagte er. Das Weisse Haus äusserte sich optimistisch über die Zukunft des Gesetzes.
Gericht hat verschiedene Möglichkeiten
Die Anhörungen laufen seit Montag und sind auf insgesamt drei Tage angesetzt. Die obersten Richter hatten laut Experten am ersten Tag durchblicken lassen, eine baldige Entscheidung anzustreben. Ein Urteil sei damit im Juni zu erwarten, zu Beginn der heissen Wahlkampfphase. Das Gericht könnte aber auch entscheiden, erst nach 2014 zuständig zu sein, wenn die umstrittene Passage über den Versicherungszwang in Kraft tritt.
Munition für republikanische Herausforderer
Die laufenden Beratungen des Supreme Courts lieferten den möglichen Herausforderern Obamas neue Munition für ihren Wahlkampf. Der erzkonservative Republikaner Rick Santorum hatte am ersten Anhörungstag demonstrativ vor dem Gerichtsgebäude bekräftigt, er werde im Falle seiner Wahl ins Weisse Haus das Gesetz widerrufen. Zugleich griff er den Favoriten im parteiinternen Vorwahlkampf, Mitt Romney, an, der als Gouverneur von Massachusetts die Vorlage der als «Obamacare» bezeichneten Reform geliefert habe. Doch auch Romney distanzierte sich deutlich von dem Gesetz und kündigte dessen Abschaffung an. (awp/mc/pg)