OECD rechnet mit Einbruch der Schweizer Wirtschaft im 2020

OECD-Chefökonomin Laurence Boone. (Foto: OECD / Flickr)

Paris – Die Coronapandemie sorgt für einen Absturz der Schweizer Wirtschaft im laufenden Jahr. Laut der Industriestaaten-Organisation OECD dürfte das Bruttoinlandprodukt (BIP) heuer um 7,7 Prozent einbrechen.

Dies allerdings nur, wenn die Pandemie im Sommer abklinge, schrieb die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Mittwoch in ihrem Konjunkturbericht. «Im Fall einer zweiten Infektionswelle im späteren Jahresverlauf wird das BIP 2020 voraussichtlich um 10 Prozent zurückgehen.» Bei einem weiteren Schock im späteren Jahresverlauf würden die Insolvenzen und die Arbeitslosigkeit in der Schweiz stärker steigen und die Investitionen geringer ausfallen.

Obwohl die Wirtschaft nicht so lange heruntergefahren worden sei wie in anderen Ländern, seien der private Konsum und die Investitionen stark eingebrochen, heisst es im Bericht. Viele Wirtschaftszweige, insbesondere der Tourismus, das Hotel- und Gaststättengewerbe, der Detailhandel und die Kulturbranche hätten unter den Schliessungen stark gelitten. «Die Pharmaindustrie, auf die 30 Prozent der Wertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes entfallen, konnte sich dagegen gut behaupten», so die OECD.

Die Zahl der Arbeitslosen sei trotz der Einführung besonderer Kurzarbeitsregelungen erheblich gestiegen. Das KOF-Konjunkturbarometer sei auf seinen niedrigsten Stand seit Anfang 2009 gesunken. Und das Konsumentenvertrauen sei in die Tiefe gestürzt, was die Erholung des Privatkonsums und der Investitionen bremsen werde, schrieb die OECD. So rechnet die Organisation mit einem Taucher des Privatkonsums um 6,8 Prozent im laufenden Jahr. Bei einer zweiten Welle dürfte er gar um 8,9 Prozent einbrechen.

Aufschwung im 2021
Im nächsten Jahr erwartet die OECD dann einen Steigflug. Das Schweizer BIP werde 2021 um 5,7 Prozent wachsen. Die Kurzarbeit helfe, den Effekt auf die Arbeitslosigkeit abzufedern. Bei einer zweiten Coronawelle werde das BIP allerdings nur um 2,3 Prozent zulegen. «In beiden Szenarien werden die Exporte durch die schwache Erholung bei den wichtigsten Handelspartnern und den starken Franken gebremst», schrieb die OECD.

Wenn die Unsicherheit länger andauere, würden sich die Unternehmensinvestitionen nur langsam beleben. Ein Anstieg der Verschuldung der Unternehmen und der privaten Haushalte würde zusammen mit sehr tiefen Zinsen die Risiken im Finanzsektor erhöhen, hiess es.

Auf der anderen Seite hätte ein stärkerer Wachstumsaufschwung in Europa hingegen positive Auswirkungen auf die Schweizer Exporte. Auch gute Ergebnisse im Pharmasektor könnten sich positiv auf die Konjunktur auswirken.

Möglicherweise mehr Staatshilfe nötig
Während für eine weitere Lockerung der Geldpolitik kaum Spielraum bestehe, könnten trotz der erheblichen Staatsausgaben zur Bekämpfung der Krise nochmals befristete fiskalische Impulse notwendig sein, befand die OECD.

So könnten Unternehmen wie beispielsweise KMU und Startups unterstützt werden, sollte die Erholung schleppender verlaufen als erwartet. Um dem Anstieg der Arbeitslosigkeit zu begegnen, könnten ebenfalls höhere finanzielle Mittel sowie mehr Weiterbildungsangebote erforderlich sein, schrieb die OECD: «Die Regierung sollte sich bereithalten, zusätzliche Massnahmen umzusetzen, um die Wirtschaft anzukurbeln und Vertrauen in die Zukunft zu schaffen.»

Schwerste Krise seit 2. Weltkrieg
Weltweit müssen sich Bürger, Unternehmen und Staaten auf äusserst schwere und lang anhaltende Folgen einstellen, so die Organsiation. Es handelt sich gemäss OECD um die schlimmste Gesundheits- und Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, der vor 75 Jahren endete.

«Der Shutdown war ein beispielloser Schock: Die Wirtschaftstätigkeit im OECD-Raum schrumpfte in dieser Phase massiv, in einigen Ländern um 20 bis 30 Prozent. Grenzen wurden geschlossen und der Handel brach ein», schrieb die Organisation mit Sitz in Paris. Gleichzeitig hätten die Regierungen umfassende Sofortmassnahmen eingerichtet, um den Schlag abzufedern und Arbeitskräften und Unternehmen finanziell unter die Arme zu greifen.

Eine höhere öffentliche Verschuldung sei zwar nötig, erklärte Chefökonomin Laurence Boone. «Schuldenfinanzierte Ausgaben müssen jedoch sehr gezielt eingesetzt werden, um die schwächsten Gruppen zu unterstützen und die Investitionen zu fördern, die für den Aufbau einer krisenfesteren Wirtschaft nötig sind.»

Allerdings räumte Boone ein: «Solange weder ein Impfstoff noch ein wirksames Medikament allgemein verfügbar ist, müssen die Politikverantwortlichen in aller Welt einen Drahtseilakt vollführen.» Der Staat könne zwar Sicherheitsnetze spannen, die es Menschen und Unternehmen ermöglichen, sich an die neue Situation anzupassen. Er könne aber die Tätigkeit

des privaten Sektors, Beschäftigung und Löhne nicht über einen längeren Zeitraum stützen. «Nur mit mehr Vertrauen wird die Erholung Fahrt aufnehmen», erklärte die Chefökonomin.

Im Euroraum dürfte die Wirtschaft im laufenden Jahr um 9,1 Prozent einbrechen. Bei einer zweiten Welle dürfte es gar um 11,5 Prozent nach unten gehen. (awp/mc/ps)

OECD

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