Ölpreis-Rutsch bringt Venezuela an den Rand der Pleite
Venezuelas Staatspräsident Nicolás Maduro.
New York – Der rasante Ölpreis-Verfall treibt Venezuela immer dichter an den finanziellen Abgrund. Zahlreiche Anleger spekulieren auf eine bevorstehende Staatspleite, obwohl das südamerikanische Land Ökonomen zufolge durchaus noch Möglichkeiten hat, das Schlimmste zu vermeiden.
Notwendig seien vor allem Reformen, um die heimische Konjunktur anzukurbeln, sagt Alberto Abes, Co-Chefökonom der Bank Merrill Lynch. Er rechnet für 2015 immerhin mit einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent, nach einem Minus von 3,3 Prozent im laufenden Jahr.
Venezolanischen Oppositionspolitikern zufolge ist das Bruttoinlandprodukt in den ersten drei Quartalen des Jahres allerdings um 4,2 Prozent geschrumpft.
Abwertung der Währung
Eine weitere Option sei die Abwertung der Landeswährung Bolivar, fügt Abes hinzu. Dadurch könne die Regierung unter Präsident Nicolás Maduro für die gleiche Summe an Devisen-Einnahmen einen grösseren Teil des Haushalts finanzieren.
Bis zum Jahresende sagen die Merrill-Experten einen Anstieg des offiziellen Dollar-Kurses von derzeit etwa 6,30 Bolivar auf 13 Bolivar voraus. Bis Ende kommenden Jahres werde der Kurs auf 30 Bolivar steigen, um sich 2016 noch einmal auf bis zu 66 Bolivar zu verdoppeln.
Anderer Börsianer verweisen darauf, dass Venezuela Staatseigentum verkaufen und Subventionen kürzen könne, um den Haushalt zu entlasten.
Staatsanleihen raus
Investoren bezweifeln dennoch, dass Venezuela seine Probleme schnell in den Griff bekommt. Aus diesem Grund werfen sie die Anleihen des Landes aus ihren Depots. Dies treibt die Rendite der 2027 auslaufenden Bonds auf derzeit knapp 24 Prozent. Vor Beginn des Ölpreis-Verfalls im Sommer lag sie gerade einmal halb so hoch.
Gleichzeitig steigen die Prämien für Kreditausfall-Versicherungen, sogenannte Credit Default Swaps (CDS). Für die Absicherung eines zehn Millionen Dollar schweren Pakets venezolanischer Anleihen müssen Anleger dem Datenanbieter Markit zufolge derzeit eine Anzahlung von etwa 5,9 Mio. Dollar leisten.
Hinzu kommen bei CDS mit einer Laufzeit bis Ende 2019 Zahlungen von 500’000 Dollar jährlich. CDS-Anbieter verlangen Vorauszahlungen üblicherweise nur für Anleihen von Staaten oder Unternehmen, die als Pleitekandidaten gelten.
Export von Erdöl
Venezuela erwirtschaftet 96 Prozent seiner Deviseneinnahmen mit dem Export von Erdöl. Mit dem Geld finanziert die Regierung unter anderem ihre milliardenschweren Sozialprogramme.
Wegen eines Überangebotes ist der Weltmarktpreis für diesen Rohstoff seit dem Sommer um mehr als 40 Prozent gefallen. Die richtungsweisende Sorte Brent aus der Nordsee ist mit 60,28 Dollar so billig wie zuletzt im Juli 2009. (awp/mc/ps)