Wien – Vor dem Treffen der Opec-Staaten und weiterer wichtiger Förderländer am Freitag und Samstag in Wien erwarten Experten, dass das Kartell den Öl-Hahn wieder etwas weiter aufdreht. Damit könnte der Ölpreis sinken – oder zumindest nicht noch weiter steigen. Für Autofahrer gibt es also Hoffnung, dass der Sprit im Sommer nicht noch teurer wird. Unter den Opec-Staaten gibt es aber auch Gegner dieser Pläne.
Derzeit werde eine Anhebung der Fördermenge von 300’000 bis 1,5 Millionen Barrel täglich diskutiert, erklärt Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch. «Ein Anstieg um mehr als eine Million wäre aber völlig unrealistisch.» Vor allem Saudi-Arabien und der Nicht-Opec-Staat Russland haben jüngst bekräftigt, dass sie die Ölförderung ausweiten wollen.
Balance wieder herstellen
Russlands Energieminister Alexander Nowak brachte dabei die Grössenordnung von 1,5 Millionen Barrel täglich für das dritte Quartal 2018 ins Spiel. Saudi-Arabiens Energieminister Abdulaziz bin Salman al Saud erklärte am Mittwoch, ein zu hoher Ölpreis könne das Weltwirtschaftswachstum beeinträchtigen. Es sei wichtig, dass eine Balance hergestellt werde. Eine Erhöhung der Förderlimits dürfte für die Öl-Exporteure aber natürlich auch grössere Einnahmen bedeuten.
Ölproduktion seit Januar 2017 deutlich zurückgefahren
Seit Januar 2017 haben die kooperierenden Staaten ihre Ölproduktion um 1,8 Millionen Barrel am Tag gekürzt, davon entfallen auf die Opec 1,2 Millionen Barrel. Dadurch produziert das Kartell seit Januar 2017 nicht mehr als 32,5 Millionen Barrel Öl am Tag. Die derzeit geltende Drosselung ist auch ein Grund für den stark gestiegenen Ölpreis. «Die Opec-Staaten fördern derzeit sogar 700’000 Barrel am Tag weniger, als sie könnten», sagt Analyst Fritsch.
Iran leidet unter Wiedereinführung der US-Sanktionen
Ein Grund dafür sei unter anderem die schwere ökonomische Krise im Opec-Staat Venezuela. Trotz Ölreichtum habe die dramatische Situation vor Ort eine deutliche Unterproduktion verursacht. Im Iran wiegt derweil die Wiedereinführung von US-Sanktionen gegen das Land schwer, nachdem Präsident Donald Trump im Mai aus dem Atomdeal mit dem Iran ausgestiegen ist. Der iranische Ölminister Bijan Zanganeh stellte mit Blick auf einen drohenden Konflikt über die Fördermengen sogar in Aussicht, dass er bereits am Freitag – also noch vor dem Treffen der so genannten Opec+ – aus Wien abreisen wolle.
Venezuela und Iran sind stark von den Einnahmen aus der Ölförderung abhängig – und profitieren daher von einem hohen Preis. Auch der zuständige Minister aus dem Oman, Mohammed bin Hamad Al-Rumhy, machte sich gegen ein vorschnelles Handeln der Opec stark: «Unsere Wirtschaft hängt vom Öl ab. Wir wollen keinen hohen Ölpreis – wir wollen aber auch keinen niedrigen Ölpreis.»
Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris geht auch für das kommende Jahr von hohen Angebotsrückgängen im Iran und in Venezuela aus. Die beiden Länder könnten fast 30 Prozent ihrer Produktion einbüssen, teilte die Agentur vergangene Woche mit. Die IEA schlussfolgert, dass andere Mitglieder der Opec für die beiden Länder in die Bresche springen und ihr Angebot ausweiten müssen.
US-Angebot kann Lücke nicht schliessen
Denn das steigende Angebot ausserhalb der Opec, vor allem aus den USA, reiche zwar aus, um die ebenfalls steigende Nachfrage zu befriedigen. Dieses Angebot sei aber nicht ausreichend, um die durch Iran und Venezuela entstehende Lücke zu schliessen, so die IEA. Derzeit fördern die USA laut ihrem Energieministerium rund 10,4 Millionen Barrel Rohöl am Tag. Insgesamt werden weltweit pro Tag etwa 95 Millionen Barrel nachgefragt. (awp/mc/pg)