Algier – Verbraucher müssen sich auf steigende Benzin- und Heizölpreise einstellen: Die Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) hat sich nach langem Ringen auf eine Obergrenze bei der Ölförderung geeinigt. Das Kartell beschloss am späten Mittwochabend eine Beschränkung des täglichen Produktionsvolumens auf 32,5 bis 33 Millionen Barrel (je 159 Liter). Die Entscheidung bedeutet eine Absenkung der Produktion um fast 750’000 Barrel täglich gegenüber August diesen Jahres.
Zudem wolle die Opec ein Gremium einsetzen, das bis zur nächsten offiziellen Sitzung der Organisation im November in Wien die Förderquoten für jeden Mitgliedsstaat bestimmen solle, sagte Katars Energieminister Mohammed al-Sada nach mehr als sechsstündigen Beratungen in Algier. Eine Begrenzung der geförderten Menge soll das Angebot verknappen und die Preise erhöhen.
Abzuwarten bleibt, ob sich der nach dem Entscheid entstandene Preisanstieg tendenziell verfestigt. Neben der Fördermenge – die Mitgliedstaaten der Opec stehen weltweit etwa für ein Drittel des Rohöls – ist auch die Nachfrage wichtig. Und hier liefern maue Aussichten für die Weltkonjunktur keine Impulse. Zudem sind die Lager weltweit voll.
Ölpreise sollen gestützt werden
Algeriens Energieminister Noureddine Boutarfa hatte vor dem Treffen deutlich gemacht, dass ein Preis von im Schnitt unter 50 US-Dollar pro Barrel Öl (159 Liter) nicht tragbar sei und den Markt und die Versorgungssicherheit mittel- und langfristig gefährde.
Russland bereit zu Gesprächen mit Opec-Staaten
Seit Mitte 2014 liegen die Ölpreise auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Zwischenzeitlich erholten sie sich zwar etwas. Insgesamt machen die geringen Notierungen, von denen Verbraucher bei Benzin oder Heizöl profitieren, etlichen Förderländern und Förderunternehmen aber weiter stark zu schaffen.
Vor allem Unstimmigkeiten zwischen den grossen ölproduzierenden Ländern Saudi-Arabien und Iran hatten bisher einer Einigung auf eine Begrenzung der Fördermengen im Weg gestanden. Nicht-Opec-Mitglied Russland, ebenfalls wichtiger Ölproduzent, zeigte sich bereit zu Gesprächen mit den Opec-Staaten. «Sollte es ein Angebot geben zu einem Treffen zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern, nehmen wir es an», sagte Russlands Energieminister Alexander Nowak der Agentur Interfax zufolge. Beim Treffen in Algier war Russland jedoch nicht dabei.
Experten überrascht von Opec-Einigung
Nahezu alle Experten zeigten sich von dem Schritt der Opec überrascht. Die Tatsache, dass die neue Obergrenze sogar unter dem aktuellen Förderniveau liegt, hatte kaum ein Beobachter für möglich gehalten. Aber auch nach der Einigung überwog am Donnerstag bei Rohstoffexperten in ersten Einschätzungen die Skepsis. In der Vergangenheit hatte sich immer wieder gezeigt, dass sich einzelne Mitgliedsstaaten des Kartells kaum an vorgeschriebene Quoten gebunden fühlen.
Rohstoffexperten der US-Investmentbank Goldman Sachs haben berechnet, was eine strikte Umsetzung der Vereinbarung für die weitere Entwicklung der Ölpreise bedeuten würde. Sollte die Fördergrenze in der ersten Hälfte 2017 strikt eingehalten werden, dann könnte dies die Ölpreise um 7 Dollar bis 10 Dollar steigen lassen, schrieben die Analysten Damien Courvalin und Jeffrey Currie in einer Einschätzung. Zuletzt seien Förderquoten aber nur bei einer sinkenden Nachfrage eingehalten worden, schränkten die Goldman Sachs-Experten ein.
«Die überraschende Einigung sollte nicht überbewertet werden», schrieben auch Experten der Privatbank Metzler. Nach jahrelangem Streit innerhalb der Opec dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass die Funktionsweise des Ölkartells wieder uneingeschränkt hergestellt sei. Ausserdem können die Ergebnisse des Treffens der Opec-Länder auf einer Ölkonferenz in der algerischen Hauptstadt Algier nicht verhindern, dass es nach wie vor ein Überangebot auf dem Ölmarkt gibt. Unter anderem sorgen der wichtige Ölförderer Russland und die Fracking-Industrie in den USA dafür, dass es auf dem Ölmarkt über lange Zeiträume mehr als genug Öl gibt. Sollte das Ziel einer spürbaren Reduzierung des Angebots weltweit angestrebt werden, müssen neben der Opec auch andere wichtige Akteure im Ölgeschäft eingebunden werden.
«Lediglich Theorie»
Von einer umfassenden Einigung, die auch Länder ausserhalb der Opec mit einbezieht, sind die Förderländer aber weit entfernt. Selbst die Einigung innerhalb der Opec wird vom Rohstoffexperten Eugen Weinberg von der Commerzbank überaus skeptisch gesehen. In der Opec seien beschlossene Fördergrenzen in der Vergangenheit immer wieder missachtet worden. Die Einigung auf Fördergrenzen in Algier ist daher für Weinberg «lediglich Theorie». «In der Praxis sind wir überzeugt, dass sich die Opec-Länder nicht an die Vereinbarung halten werden», sagte der Commerzbank-Experte.
Und generell gilt: «Die Rückkehr zur alten Opec-Strategie der Preiskontrolle über die Mengen wird nicht mehr aufgehen», zeigte sich Weinberg überzeugt. Dafür gibt es am Markt einfach zu viele Akteure. Und die Erfahrung der Vergangenheit hat gezeigt: Auch der massive Preisrutsch im vergangenen Jahr hat es nicht geschafft, die Konkurrenten des Ölkartells aus dem Markt zu drängen. (awp/upd/mc/pg)