«Paradise Papers» bringen Politiker weltweit unter Druck
Washington – Nach den «Panama Papers» bringt eine neue Veröffentlichung zu millionenfachen Daten über Steuertricks weltweit Politiker, Prominente und Konzerne unter Druck. Nach einem Bericht der «Süddeutschen Zeitung», die dem Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) angehört, geht es um Briefkastenfirmen von einer Anwaltskanzlei auf den Bermudas und einer Firma in Singapur. Das neue riesige Datenleck wurde von den Autoren «Paradise Papers» getauft.
Insgesamt gehe es um 13,4 Millionen Dokumente aus Steuerparadiesen, es würden etwa die Namen von mehr als 120 Politikern aus fast 50 Ländern auftauchen, dazu Unternehmer, Sportler und Unternehmer. Auch zu Geschäftspraktiken einiger Weltkonzerne gebe es Informationen.
US-Handelsminister: Umstrittene Deals mit Putin-Schwiegersohn
Besonders in den Fokus wird von den beteiligten Medien US-Handelsminister Wilbur Ross gerückt. Er profitiere als Privatmann von Geschäften mit einer Firma, die dem Schwiegersohn des russischen Präsidenten Wladimir Putin und Kreml-nahen Geschäftsleuten gehöre. Sonderermittler Robert Mueller untersucht derzeit mögliche Kontakte der US-Regierung nach Russland im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl und eine mögliche Beeinflussung aus Moskau, um dem Trump-Lager zum Sieg zu verhelfen.
Im Fall des US-Handelsministers soll es um eine Beteiligung an einer Reederei gehen, zu deren Kunden der russische Energiekonzern Sibur gehöre. Die Reederei Navigator habe seit 2014 mit Sibur Geschäfte im Wert von mehr als 68 Millionen Dollar abgewickelt. Allerdings bleibe unklar, wie stark Ross hier engagiert sei. Es ist bereits bekannt, dass der Milliardär grosse Investments im Schifffahrtsbereich hat und Offshore-Firmen waren auch bereits ein Thema bei seinem Bestätigungsverfahren im Senat. Ross bestreitet nach Angaben der Zeitung, dass seine Geldanlage Einfluss auf seine Amtsführung habe.
Auch die Queen bleibt nicht verschont
In den Daten sollen insgesamt ein Dutzend Berater und Grossspender von US-Präsident Donald Trump auftauchen. Auch Vermögenswerte der britischen Queen Elizabeth II. sollen den Berichten zufolge eine Rolle spielen – Geld soll in einer Kaufhauskette angelegt worden sein, die bei Ratenzahlungen Wucherzinsen verlangt habe. Zudem taucht eine Verbindung zum argentinischen Finanzminister Luis Caputo auf. Kolumbiens Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos soll unter anderem Chef einer auf Barbados registrierten Holding gewesen sein, bevor er im Jahr 2000 Finanzminister Kolumbiens wurde.
Snowden begrüsst Veröffentlichungen
Wie die ICIJ-Journalisten an die Daten, die auch Firmenregister von 19 Steueroasen enthalten, herankamen, wurde nicht preisgegeben. Der in Russland lebende US-Whistleblower Edward Snowden begrüsste die Veröffentlichungen via Twitter mit den Worten: «Leak day is my favorite day» – übersetzt: «Ein Datenleck-Tag ist mein Lieblingstag.» Im Jahr 2013 hatte Snowden massenhaft Dokumente des US-Geheimdienstes National Security Agency (NSA) gestohlen und an Journalisten weitergeben – die Enthüllungen lösten schwere Verwerfungen aus.
Leak day is my favorite day. #ParadisePapers https://t.co/PV4Ve7HStE
— Edward Snowden (@Snowden) 5. November 2017
Das Ausnutzen von Steuerschlupflöchern ist nicht per se kriminell – aber dadurch entfallen Milliarden-Steuerzahlungen, die sonst dem Gemeinwohl zugute kommen würden – zudem wird die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft. Der Chef der britischen Labour Party, Jeremy Corbyn kritisierte: «Es gibt eine Regel für die Super-Reichen – und eine andere für den Rest, wenn es um das Zahlen von Steuern geht.» Die Offshore-Industrie mache die Armen ärmer und vertiefe die Vermögensungleichheit, sagt Brooke Harrington, Autorin des Buches «Kapital ohne Grenzen», der «Süddeutschen Zeitung». Das System der Steueroasen ermögliche es nicht nur, Steuern zu vermeiden, sondern auch, Gesetze gezielt zu umgehen, die Reichen nicht passen. «Für die Superreichen gibt es eine Welt ausserhalb des Rechts», so Harrington.
Die auf den Bermudas ansässige Anwaltskanzlei Appleby hatte vor wenigen Tagen eingeräumt, dass möglicherweise illegal Datenmaterial dem ICIJ zugespielt worden sei; man habe entsprechende Medienanfragen bekommen. Die Firma betont, auf legale Offshore-Praktiken zu setzen und im Einklang mit den Gesetzen zu handeln. Man nehme alle Vorwürfe aber «extrem ernst». Nach sorgsamer und intensiver Prüfung sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinerlei Belege für Fehlverhalten seitens der Firma oder ihrer Klienten gebe. Appleby sprach nicht von einem Datenleck, sondern von einem illegalen «Cyber-Angriff».
Insgesamt waren mehr als 90 Medien und 380 Journalisten beteiligt. Die Daten wurden über ein Jahr ausgewertet und bieten tiefe Einblicke, wie versucht wird, mit den Steuer- und Finanzkonstrukten den eigenen Reichtum zu mehren. Die vorherigen «Panama Papers»-Enthüllungen führten 2016 weltweit zu Ermittlungen. Unterlagen der panamaischen Anwaltskanzlei Mossack Fonseca, die von ICIJ-Journalisten weltweit ausgewertet wurden, zeigten, dass zahlreiche Politiker, Sportler und andere Prominente Vermögen in Offshore-Firmen hielten – was nicht unbedingt strafbar ist. Die 11,5 Millionen Dateien umfassten E-Mails, Urkunden und Kontoauszüge zu 214 000 Gesellschaften vor allem in der Karibik.
Dabei tauchten die Namen von 140 Politikern und engen Vertrauten auf, darunter die Staatschefs Argentiniens und der Ukraine, Mauricio Macri und Petro Poroschenko. In Island führte die Veröffentlichung zum Rücktritt des Ministerpräsidenten Sigmundur Gunnlaugsson und zum Verzicht des Staatschefs Ólafur Ragnar Grímsson auf eine Wiederwahl. In Pakistan wurde Ministerpräsident Nawaz Sharif des Amtes enthoben. Das ICIJ erhielt für die Enthüllungen der «Panama Papers» 2017 die höchste Auszeichnung im US-Journalismus, den Pulitzer-Preis. (awp/mc/pg)