Frankreichs Premierminister Manuel Valls.
Paris – Nach monatelangem Streit um die Arbeitsmarktreform hat die französische Regierung auch die Schlussabstimmung im Parlament umgangen. Angesichts der Widerstände im eigenen Lager griff Premierminister Manuel Valls am Mittwoch in der Nationalversammlung wie erwartet auf eine Sonderregel in der Verfassung zurück. Damit gilt das Gesetz als angenommen, sofern nicht ein Misstrauensantrag gegen die Regierung gestellt wird und Erfolg hat. Dies gilt als unwahrscheinlich.
Die Reform soll das Arbeitsrecht lockern und Unternehmen mehr Flexibilität verschaffen, damit diese leichter neue Jobs schaffen können. Gegner fürchten um Arbeitnehmerrechte, mehrere Gewerkschaften hatten immer wieder dagegen protestiert und dabei zeitweise etwa die Benzinversorgung vieler Tankstellen im Land blockiert. Valls konnte sich auf keine eigene Mehrheit verlassen, weil auch der linke Flügel der regierenden Sozialisten gegen das Projekt Sturm lief.
«Unverzichtbare Reform für das Land»
Valls warb erneut für den Text, den er als «eine grosse Reform» der Legislaturperiode bezeichnete, die für die Zukunft des Landes unverzichtbar sei. Kern des Textes ist es, die Ausgestaltung der Arbeitszeit stärker direkt zwischen Beschäftigten und Unternehmen aushandeln zu lassen. Er gibt Betriebsvereinbarungen deshalb in bestimmten Fragen Vorrang vor Branchen-Tarifverträgen. «Die Philosophie des Textes ist es, den Mitarbeitern und den Unternehmern zu vertrauen», sagte Valls. Gegner befürchten Sozialdumping.
Mit der in Frankreich nur als «49-3» bekannten Sonderregel hatte die Regierung bereits in erster und zweiter Lesung eine Abstimmung in der Nationalversammlung verhindert und damit teils Empörung ausgelöst. Im vergangenen Jahr peitschte Valls mit diesem Mittel bereits ein umstrittenes Wirtschaftsgesetz durch das Parlament.
Gegner geben nicht auf
Nun könnte nur noch ein erfolgreicher Misstrauensantrag die Verabschiedung des Gesetzes stoppen. Abgeordnete hätten bis Donnerstagnachmittag Zeit, genug Unterschriften dafür zusammenzubekommen. Bei der zweiten Lesung hatte die konservative Opposition, der das Gesetz nicht weit genug geht, darauf verzichtet. Linke Kritiker bekamen nicht genug Unterstützer zusammen.
Die ausserparlamentarischen Gegner der Arbeitsmarktreform wollen jedenfalls nicht aufgeben, sie haben zu einem neuen Aktionstag nach der Sommerpause am 15. September aufgerufen. Dann wollen sie die Aufhebung des Gesetzes fordern. (awp/mc/pg)