Neue russische Angriffe im Westen der Ukraine
Kiew – Nahe der westukrainischen Grossstadt Lwiw (Lemberg) haben sich am Morgen heftige Explosionen ereignet. Das berichtete der ukrainische Sicherheitsexperte Anton Heraschtschenko auf seinem Telegram-Kanal. Die Situation in der umkämpften Stadt Mariupol verschärft sich weiter.
Am Stadtrand sei Feuer und Rauch zu sehen. Beobachtungen von Reportern britischer und polnischer Medien legten nahe, dass mehrere mutmasslich russische Marschflugkörper am Flughafen der Stadt eingeschlagen seien. «Raketen haben das Flughafengelände von Lwiw getroffen», schrieb auch Bürgermeister Andrij Sadowy auf Facebook.
In dem seit mehr als drei Wochen dauernden russischen Krieg gegen die Ukraine ist es in Lwiw bislang vergleichsweise ruhig geblieben, die Stadt ist voller Flüchtlinge. Bei einer Attacke auf den Truppenübungsplatz Jaworiw unweit von Lwiw am vergangenen Sonntag hatte es nach Kiewer Angaben mindestens 35 Tote und 134 Verletzte gegeben.
Zahl der Opfer nach Bombardement von Theater in Mariupol immer noch unklar
Nach dem Bombardement eines als Schutzort genutzten Theaters in der ukrainischen Stadt Mariupol ist die Zahl der Opfer immer noch unklar. Der Bombenschutzkeller des Gebäudes habe den Beschuss überstanden und einige «Erwachsene und Kinder» seien lebend hinausgekommen, erklärte die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Ljudmila Denisowa. Die Arbeiten, um den Zugang zu dem Keller freizubekommen, dauerten demnach an. Schätzungen zufolge hatten etwa tausend Menschen in dem Theaterkeller Schutz gesucht.
Wasser-Reserven in Mariupol gehen zu Ende
Die Vereinten Nationen zeigten sich extrem besorgt über die Lage in Mariupol. Ein Sprecher des Welternährungsprogramms (WFP) sagte am Freitag in Genf: «Die letzten Reserven an Essen und Wasser gehen zu Ende.» Zudem fehlten Versorgungsgüter und Medikamente, was verheerende Konsequenzen haben könne, hiess es vom UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR). Immer noch könnten keine Hilfskonvois die Stadt erreichen. Auch sonst sei die Versorgungskette nicht mehr gewährleistet. Aus Angst vor Schüssen zögerten Lkw-Fahrer, sich ans Steuer zu setzen.
London macht Putin für Kriegsverbrechen verantwortlich
Grossbritannien hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin persönlich für Kriegsverbrechen in der Ukraine verantwortlich gemacht. Verteidigungs-Staatssekretär James Heappey sagte am Freitag dem Sender Sky News: «Die Strafbarkeit für Kriegsverbrechen liegt eindeutig beim Anführer der russischen Regierung – dem Mann, der sich überhaupt dazu entschieden hat, all dies zu tun.» Beweise deuteten auf schwere Straftaten hin. Als Beispiel nannte auch der konservative Politiker den Angriff auf das Theater der Hafenstadt Mariupol, wo Hunderte Zivilisten Schutz gesucht hatten.
«Die Russen setzen wahllos Artillerie und Raketen ein, um eine Stadt zu zerstören, die sie militärisch nicht einnehmen konnten», sagte der Staatssekretär. «Das ist eine barbarische Taktik.» Heappey kündigte an, auch Militärs strafrechtlich zu verfolgen. «Nicht nur Putin wird am Ende die Verantwortung für Kriegsverbrechen tragen.» Niemand in der militärischen Befehlskette könne sich hinter der Linie verstecken, nur Befehlen zu folgen. «Das ist ein Schandfleck auf der russischen Nation.»
Pentagon: Russland greift zunehmend zivile Einrichtungen an
Das russische Militär greift in der Ukraine nach Angaben der US-Regierung vermehrt zivile Einrichtungen an. «Wir haben eine Zunahme der Angriffe auf zivile Infrastruktur und zivile Ziele festgestellt», sagte ein hoher US-Verteidigungsbeamter. Gleichzeitig beobachte man stellenweise schwindende Moral bei den russischen Soldaten. «Wir haben keinen Einblick in jede Einheit und jeden Standort. Aber wir haben sicherlich anekdotische Hinweise darauf, dass die Moral in einigen Einheiten nicht hoch ist», sagte der Beamte.
Beachtenswert sei ausserdem, dass das russische Militär darüber nachdenken würde, Nachschub in die Ukraine zu bringen. Man sehe zwar aktuell noch nicht, dass das passiere. Aber allein, dass dies ein Thema sei, sei ein Zeichen für Sorge auf russischer Seite, sagte der Beamte.
Rund um die südwestukrainischen Hafenstadt Odessa beobachte man eine anhaltende russische Marineaktivität, schilderte der hohe Beamte weiter. Es gebe aber keine «unmittelbaren Anzeichen» für einen Angriff vom Meer aus. (awp/mc/pg)