Zweite Stufe von Trumps Zollpaket in Kraft – China droht mit Gegenmassnahmen

Washington – Die von US-Präsident Donald Trump angekündigten länderspezifischen Sonderzölle sind in Kraft. Seit Mitternacht amerikanischer Zeit (6.01 Uhr MESZ) gelten für zahlreiche Länder deutlich höhere Abgaben – vor allem für jene, mit denen die USA nach Regierungsangaben ein besonders hohes Handelsdefizit haben.
Schweizer Exporte in die USA werden neu mit einem Zollsatz von 31 Prozent belastet. Betroffen sind insbesondere die Uhrenhersteller, die Maschinenindustrie und die Medtech-Branche. Pharmaprodukte und Goldexporte aus der Schweiz sind vorerst ausgenommen.
Der erste Teil des Zollpakets – universelle Zehn-Prozent-Zölle auf Waren aus allen Ländern – war bereits am Samstag in Kraft getreten. Am Mittwoch folgten weitere Massnahmen für Länder, mit denen die USA aus eigener Sicht ein besonders grosses Handelsdefizit aufweisen. Für die Schweiz und weitere betroffenen Länder ermittelte die US-Regierung einen individuellen Prozentsatz, der sowohl Zölle als auch andere Handelshemmnisse abbilden soll.
Gehemmtes Wirtschaftswachstum
Die Schweizer Wirtschaft befindet sich damit mitten im globalen Strudel rund um die neuen Importzölle der USA. Die Ökonomen der Grossbank UBS sehen wegen den US-Zöllen dunkle Wolken am Konjunkturhimmel aufziehen. Die Zölle dürften das Schweizer Wirtschaftswachstum in diesem und im nächsten Jahr deutlich hemmen. Vertreterinnen und Vertreter der hiesigen Wirtschaft wollten den Teufel noch nicht an die Wand malen. Sie appellierten an die Politik.
Die Direktorin des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), Helene Budliger Artieda ist seit Sonntag in den USA. Die Staatssekretärin soll in Washington unter anderem einen Besuch von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin vorbereiten. Am Dienstag gab das Seco keine Auskunft über eventuelle Treffen oder mögliche Fortschritte seiner Chefin. Die Medienstelle des Eidgenössischen Departements für Bildung und Forschung (WBF) von Parmelin teilte mit, sie werde über allfällige Treffen «zu gegebener Zeit kommunizieren».
Trump-Sprecherin: «Telefon klingelt ununterbrochen»
Bereits am Samstag war der erste Schritt des Massnahmenpakets in Kraft getreten: pauschale Importzölle von zehn Prozent auf Waren aus allen Ländern. Bestimmte Waren sind von den Zöllen ausgenommen – etwa solche, für die bereits spezifische Zollregelungen gelten, wie Stahl- und Aluminiumprodukte sowie Autos und Autoteile. Ausserdem sind einige weitere Produkte wie Kupfer, Arzneimittel, Halbleiter, Holzprodukte oder bestimmte kritische Mineralien ausgenommen. Das Weisse Haus machte allerdings deutlich, dass Trump für diese Warengruppen schon bald Sonderzölle verhängen könnte.
Der US-Präsident hatte sein neues, gewaltiges Zollpaket bei einer Veranstaltung im Rosengarten des Weissen Hauses präsentiert – unter dem Titel «Tag der Befreiung». Danach kündigten mehrere Länder Gegenmassnahmen an. Andere setzen auf Verhandlungen. Trumps Sprecherin Karoline Leavitt sagte in Washington, bislang hätten sich fast 70 Länder an die US-Regierung gewandt – das Telefon klingele «ununterbrochen». Einige Staatsoberhäupter wollten demnach sofort «ins Flugzeug steigen», um die Verhandlungen aufzunehmen.
Zusätzliche Zölle gegen China
Mit dem Paket sagt Trump zwar Handelspartnern in aller Welt den Kampf an. Einen besonderen Groll hegt er aber gegenüber China. Er bezeichnet das Land als «grössten Übeltäter». Nachdem Peking auf Trumps Ankündigung mit Gegenzöllen in Höhe von 34 Prozent reagiert hatte, erhöhte Washington die Abgaben auf chinesische Produkte nochmals deutlich: auf insgesamt 104 Prozent. Am Dienstag (Ortszeit) unterzeichnete der US-Präsident ein entsprechendes Dekret.
Daneben ordnete Trump in dem Dekret zusätzlich Zölle von 90 Prozent auf geringwertige Waren aus China an – eine Verdreifachung der bisher vorgesehenen Abgaben für diese Artikel. Ursprünglich wollte Trump Waren mit einem Wert von unter 800 Dollar (rund 724 Euro) ab dem 2. Mai mit einem Zoll von 30 Prozent belegen. Bisher waren solche Güter von Zöllen ausgenommen. Dank dieser Regel lieferten chinesische Online-Händler wie Temu und Shein in grossem Stil ihre Produkte in die USA.
Trump zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass China verhandlungsbereit bleibe – das Land wolle unbedingt ein Abkommen schliessen, wisse aber nicht, wie es dies in die Wege leiten könne, schrieb er auf seiner Plattform Truth Social. «Wir warten auf ihren Anruf. Es wird geschehen!», erklärte Trump.
China droht mit Gegenmassnahmen nach neuen US-Zöllen
Aktuell ist das aber nicht der Fall. China hat derweil mit Gegenmassnahmen gedroht. Das Recht der Volksrepublik auf Entwicklung dürfe nicht verletzt werden, und China werde weiter wirksame Massnahmen ergreifen, um seine Rechte und Interessen zu schützen, sagte Aussenamtssprecher Lin Jian in Peking. Die USA würden weiterhin überhöhte Zölle erheben, erklärte Lin. China lehne diese Schikane entschieden ab. Wenn die USA die Probleme durch Verhandlungen lösen wollten, sollten sie eine ebenbürtige und respektvolle Haltung einnehmen, sagte Lin.
EU plant Gegenzölle zu vorherigen Massnahmen
Auch das Handelsverhältnis mit der EU ist Trump ein Dorn im Auge. Ein Angebot aus Brüssel, sämtliche Zölle auf Industriegüter beiderseits abzuschaffen, schlug Trump aus. Stattdessen forderte er, die EU solle als Ausgleich mehr amerikanische Energie importieren.
Für den Nachmittag wird erwartet, dass sich die EU auf erste Gegenmassnahmen zu den US-Stahl- und Aluminiumzöllen einigt, die bereits vor Trumps grossem Massnahmenpaket in Kraft getretenen waren. Dabei werden entgegen ursprünglicher Planungen voraussichtlich keine Zusatzzölle auf amerikanischen Whiskey erhoben.
Konkret stehen nach Angaben aus EU-Kreisen etwa 25 Prozent auf Sojabohnen, Kleidungsstücke sowie Eisen-, Stahl- und Aluminiumwaren zur Abstimmung. Für andere Waren sollen zehn Prozent fällig werden. Insgesamt soll die Liste 66 Seiten umfassen.
Wie die FAZ berichtet, sollen manche Zölle bereits kommende Woche in Kraft treten. Die meisten Gegenzölle sollen demnach von Mitte Mai und die Abgaben auf Mandeln und Sojabohnen erst vom 1. Dezember an greifen.
Die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses des EU-Parlaments, Anna Cavazzini (Grüne), sprach von verhältnismässigen und überlegten Gegenmassnahmen, mit denen der Schaden für die USA grösser als sei als für die EU.
Sorge vor globaler Krise, Fehde im Weissen Haus
Trumps Vorstoss liess die Börsen weltweit einbrechen. Zwar ging es nach dramatischen Kursverlusten wieder etwas aufwärts. Doch die aggressive Handelspolitik der US-Regierung sorgt weiterhin für erhebliche Verunsicherung.
Es wird befürchtet, dass ein eskalierender Handelskonflikt die globale Wirtschaft in eine tiefe Krise stürzt. Auch in den USA wächst die Sorge vor einer Rezession. Selbst unter Trumps politischen Verbündeten regt sich Kritik.
So entlud sich eine öffentlich ausgetragene Fehde zwischen Tech-Milliardär Elon Musk und Trumps Wirtschaftsberater Peter Navarro – offenbar ausgelöst durch Differenzen über die neue Zollstrategie.
Navarro hatte angedeutet, Musk sei unzufrieden mit den Importzöllen, da das Geschäftsmodell seiner Firma Tesla auf günstige Bauteile aus dem Ausland angewiesen sei. Musk bezeichnete Navarro daraufhin als «Idiot», der dümmer sei «als ein Sack Ziegel».
Trump überzeugt: Das «goldene Zeitalter» der USA beginnt
Es ist der bislang aggressivste Eingriff von Trumps Regierung in die globale Handelspolitik. Trump zeigt sich dennoch überzeugt: Nun werde das «goldene Zeitalter» der USA beginnen.
Der US-Präsident will mit seiner Zollpolitik die heimische Produktion stärken und zugleich ausländische Handelspartner zu Zugeständnissen bewegen. Die erwarteten Zusatzeinnahmen sollen auch dabei helfen, im Wahlkampf versprochene Steuersenkungen zumindest teilweise gegenzufinanzieren.
An den Finanzmärkten nahm die Unruhe derweil wieder spürbar zu. An den Aktienbörsen in Asien überwogen die Verluste und hierzulande dürfte der deutsche Leitindex Dax mit deutlichen Verlusten starten. Zudem sackten die Ölpreise wegen der Furcht vor einer globalen Wirtschaftskrise ab. Der US-Dollar schwächelte weiter und der Kurs des Euro stieg im Gegenzug wieder über die Marke von 1,10 Dollar. (awp/mc/pg)