Warschau – Gut vier Wochen nach der Wahl in Polen kommt an diesem Montag (12.00 Uhr) das neue Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Zunächst werden die Abgeordneten einen Parlamentspräsidenten wählen. Ausserdem wird die amtierende Regierung von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zurücktreten. Dies ist der erste Schritt auf dem Weg zu einem Machtwechsel, den Präsident Andrzej Duda allerdings mächtig hinauszögert.
Bei der Wahl am 15. Oktober hatte ein oppositionelles Dreierbündnis unter Führung des ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk eine deutliche Mehrheit im Sejm, dem Unterhaus des Parlaments, errungen. Tusks liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) kommt gemeinsam mit dem konservativen Dritten Weg und dem Linksbündnis Lewica auf 248 der insgesamt 460 Sitze. Die drei Parteien haben mittlerweile auch einen Koalitionsvertrag unterzeichnet.
Die bisherige nationalkonservative Regierungspartei PiS wurde bei der Wahl zwar mit 194 Sitzen stärkste Kraft im Parlament, verfehlte aber deutlich die absolute Mehrheit und hat auch keinen Koalitionspartner.
Der bevorstehende Regierungswechsel in Warschau wird auch eine Wende in der polnischen Aussenpolitik bringen. Die PiS lag wegen einer Justizreform im Dauerstreit mit Brüssel, das Verhältnis zu Berlin befand sich auch wegen ihrer Forderungen nach Weltkriegsreparationen in Höhe von 1,3 Billionen Euro auf einem Tiefpunkt. Die drei Oppositionsparteien stehen für einen proeuropäischen Kurs und eine versöhnlichere Politik gegenüber Deutschland. Der 66-jährige Tusk war schon von 2007 bis 2014 Polens Regierungschef.
Dudas Verzögerungstaktik
Bis Tusk erneut dieses Amt wird antreten können, könnte es bis kurz vor Weihnachten dauern. Dies liegt an der Verzögerungstaktik von Staatsoberhaupt Andrzej Duda, der selbst aus den Reihen der PiS stammt. Duda hatte kürzlich angekündigt, er wolle erneut den Noch-Ministerpräsidenten Morawiecki mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen. Er begründete dies damit, es sei in Polen parlamentarische Tradition, dass diesen Auftrag zunächst ein Vertreter derjenigen Fraktion bekomme, die stärkste politische Kraft geworden sei. Oppositionsvertreter werfen Duda vor, er wolle der PiS noch weitere Wochen an der Macht sichern.
Dies könnte gelingen, wenn Duda alle von der Verfassung vorgesehenen Fristen ausschöpft. Demnach hat er nach der konstituierenden Sitzung des Parlaments 14 Tage Zeit, um den Regierungsbildungsauftrag formal zu vergeben. Danach wiederum muss der beauftragte Politiker – wahrscheinlich also Morawiecki – innerhalb von 14 Tagen sein Kabinett im Parlament zur Abstimmung stellen. Dieses Vorhaben wird Morawiecki höchstwahrscheinlich eine krachende Niederlage einbringen. Denn ausser den Abgeordneten der PiS will keine andere Fraktion, nicht einmal die ultrarechte Konfederacja, für ihn stimmen. Polnische Medien sprechen von einer «Mission impossible» – einer unmöglichen Aufgabe.
Erst wenn dieser Regierungsbildungsversuch gescheitert ist, ist das Parlament am Zug. Es kann aus seiner Mitte die Regierung der Dreier-Koalition unter Führung von Tusk bilden. (awp/mc/ps)