Kiew – In der Ukraine sind nach Regierungsangaben seit Beginn des russischen Angriffskriegs mehr als 700 Objekte der kritischen Infrastruktur zerstört worden. «Es geht um Gas-Pipelines, Umspannwerke, Brücken und ähnliches», sagte der stellvertretende ukrainische Innenminister Jewgeni Jenin am Mittwoch im Fernsehen. Insgesamt seien mehr als 35 000 Objekte von den russischen Truppen kaputt geschossen worden, fügte er hinzu. Auch in der Nacht zum Mittwoch und am Morgen gab es wieder Luftangriffe. Die kürzlich von der Ukraine zurückeroberte Stadt Cherson ist nach Angaben des Generalstabs von 33 Raketen und mit Artillerie beschossen worden. Die Liste der zivilen Opfer ist lang: Es wurden laut UN mindestens 18’000 unbewaffnete Menschen getötet oder verwundet.
Moskau will annektierte Gebiete definitiv behalten
Ein möglicher Friedensplan für die Ukraine muss aus Sicht des Kreml Russlands Annexion der vier Gebiete im Osten und Süden des Landes anerkennen. «Es kann keinen Friedensplan für die Ukraine geben, der nicht die heutigen Realitäten auf dem russischen Territorium berücksichtigt», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Er reagierte damit auf die vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beim G20-Gipfel auf Bali vorgetragene Friedensformel. Kernforderungen der Ukraine sind der Abzug russischer Truppen und Reparationszahlungen. Moskau hat zwar immer wieder erklärt, zu Verhandlungen bereit zu sein. Allerdings zeigt Russland auch aus Sicht Berlins keinerlei Signale, «von seinen ursprünglichen Kriegszielen abzulassen», wie ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Mittwoch betonte.
London: Russlands Militär an strategisch wichtigem Ort unter Druck
Das russische Militär steht nach britischer Einschätzung in der Nähe der ostukrainischen Kleinstadt Kreminna unter anhaltendem Druck der ukrainischen Streitkräfte. Russland habe seine Frontlinie in dem Gebiet in der Oblast Luhansk in den vergangenen Tagen wahrscheinlich verstärkt, teilte das britische Verteidigungsministerium am Mittwoch in seinem regelmässigen Geheimdienst-Update mit. Es habe dort umfassende neue Verteidigungsanlagen errichtet und werde seinen Fokus wahrscheinlich darauf legen, die Position zu halten. Das Gebiet sei aus logistischer Sicht wichtig für die russische Front im ostukrainischen Donbass. Kreminna liegt nördlich der seit Monaten umkämpften Industriestadt Bachmut. Auch in der Nähe der Kleinstadt selbst hat sich die Lage jüngst zugespitzt.
UN: Bisher rund 18’000 getötete oder verwundete Zivilisten
Im Ukraine-Krieg sind nach jüngsten Zählungen der Vereinten Nationen (UN) bisher knapp 6900 Zivilisten getötet worden. Fast 11’000 unbewaffnete Menschen seien verwundet worden, teilte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) in Genf mit. Unter den Getöteten seien auch 1800 Frauen und etwa 400 Kinder, hiess es. Die meisten der registrierten zivilen Opfer wurden laut UN durch den Einsatz von explosiven Waffen mit weitreichender Wirkung verursacht, darunter Beschuss durch schwere Artillerie, Mehrfachraketensysteme, Raketen und Luftangriffe. Das OHCHR geht davon aus, dass die tatsächlichen Zahlen erheblich höher liegen. Von einigen Orten mit intensiven Kämpfen verzögerten sich die Berichte und müssten teils noch bestätigt werden. Dies gelte zum Beispiel für die Regionen um Mariupol und diverse Orte in der Region Luhansk.
Technisches Hilfswerk hat Hunderte Hilfstransporte organisiert
Das Technische Hilfswerk hat bereits 355 Hilfstransporte aus Deutschland in die Ukraine und Nachbarstaaten entsandt. So hat die Organisation etwa 480 Stromgeneratoren beschafft und davon bereits 196 in die Ukraine geliefert, um die von russischen Angriffen beschädigte Energie-Infrastruktur zu stabilisieren, wie das Bundesinnenministerium am Mittwoch mitteilte. Russland hatte zuletzt mit Raketen und Drohnen massive Schäden an der ukrainischen Energieversorgung verursacht. Durch den Winter verschärft sich die Lage. Ministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: «Wir leisten hier den grössten Beitrag unter den EU-Staaten.» Das THW ist die ehrenamtliche Zivil- und Katastrophenschutzorganisation des Bundes und hat nach eigenen Angaben mehr als 80 000 Freiwillige in ihren Reihen.
Russische Soldaten können Sperma für den Todesfall einfrieren lassen
Die im Rahmen der Teilmobilmachung von Präsident Wladimir Putin in den Krieg geschickten Russen können nach Angaben eines Insiders ihr Sperma kostenlos einfrieren lassen. Die Kosten dafür würden aus dem Staatsetat getragen, sagte der Leiter der russischen Anwaltsvereinigung, Igor Trunow, am Mittwoch der staatlichen Nachrichtenagentur Tass. Laut Medienberichten hat die Nachfrage nach Spermabanken bei Russen im Zuge der Mobilmachung deutlich zugenommen hat. Aus Sorge vor dem Tod im Krieg wollten die Männer zumindest auf diese Weise ihren Nachwuchs sichern. Nach Angaben aus Moskau vom Herbst waren bis damals rund 6000 russische Soldaten ums Leben gekommen. Die Ukraine hat die russischen Verluste hingegen zuletzt auf 100’000 Soldaten geschätzt./(awp/mc/ps)