Poroschenko will Ukraine mit Kriegsrecht gegen Russland schützen

Petro Poroschenko, ukrainischer Staatspräsident.

Kiew – Im Konflikt mit Russland im Asowschen Meer hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko für 30 Tage das Kriegsrecht verhängt, um das Land besser schützen zu können. Zur Begründung nannte der Staatschef in einer Fernsehansprache den Übergriff russischer Küstenwachschiffe auf ukrainische Marineboote in der Meerenge von Kertsch. Das Kriegsrecht gilt von Mittwoch an.

Nach turbulenter Debatte billigte das Parlament in Kiew am Montag Poroschenkos Erlass mit grosser Mehrheit. Die Abgeordneten rangen ihm aber Zugeständnisse ab. Sie legten auch die nächste Präsidentenwahl in der Ex-Sowjetrepublik auf den 31. März 2019 fest.

International löst die jüngste Eskalation zwischen Russland und der Ukraine Besorgnis aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte in einem Telefonat mit Poroschenko, notwendig seien Deeskalation und Dialog. Dafür werde sich die Kanzlerin einsetzen, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. «Die Entwicklungen, die wir rund um das Asowsche Meer sehen, sind außerordentlich besorgniserregend. Wir rufen alle Beteiligten zu grösstmöglicher Zurückhaltung auf», sagte der deutsche Aussenminister Heiko Maas bei einem Besuch in Spanien. US-Präsident Donald Trump erklärte, die Entwicklung sei nicht gut. «Wir sind darüber überhaupt nicht glücklich.»

Sicherheitsrat lehnt Russlands Antrag ab
Im UN-Sicherheitsrat warfen die USA Russland eine «skandalöse Verletzung» der ukrainischen Souveränität vor. Die wiederholten «gesetzlosen Handlungen» Russlands machten es unmöglich für US-Präsident Donald Trump, eine normale Beziehung zu Moskau aufzubauen. Das sagte die US-Botschafterin Nikki Haley bei einer Dringlichkeitssitzung des Rates in New York. Der Rat lehnte den russischen Antrag ab, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen.

Am Sonntag hatte die russische Küstenwache Patrouillenbooten der ukrainischen Marine die Durchfahrt in der Meerenge von Kertsch an der annektierten Halbinsel Krim verweigert. Eines der Schiffe wurde dabei gerammt. Später wurden alle drei ukrainischen Schiffe gestoppt, Russen übernahmen an Bord die Kontrolle. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt. Der russische Inlandsgeheimdienst FSB begründete die Blockade mit einer Verletzung der russischen Grenze.

Poroschenko sprach in der Obersten Rada in Kiew von der Gefahr, dass Russland auch zu Land angreifen könnte. Die Massnahmen des Kriegsrechts wurden deshalb auf die ukrainischen Gebiete begrenzt, die an Russland grenzen. Ausserdem gehören die Gebiete an den Küsten von Schwarzem und Asowschen Meer sowie die ukrainische Grenzregion zu Transnistrien in der Republik Moldau dazu. Auch dort stehen russische Truppen. «Das ist überall dort, wo ein Angriff erfolgen kann», sagte Poroschenko.

Moskau: Gezielte Provokation
Die räumliche Begrenzung war jedoch ebenso ein Zugeständnis wie die Dauer von 30 Tagen. In einem ersten Erlass vom Montagnachmittag hatte Poroschenko noch 60 Tage verfügt. Für das Kriegsrecht stimmten am Ende 276 Abgeordnete der nominell 450 Abgeordneten, 30 votierten dagegen. Es gab jedoch auch grundsätzliche Kritik. Die drei Ex-Präsidenten Leonid Krawtschuk, Leonid Kutschma und Viktor Juschtschenko sagten, die Ausrufung des Kriegsrechts werde die Lage nicht verändern. «Sind die Risiken gerechtfertigt? Hilft es im Kampf gegen den Aggressor?», hiess es in einer Erklärung.

Moskau mutmasst, dass der Vorfall auf See vor allem Poroschenko im Wahlkampf zugute kommen könnte. In Umfragen liegt er nämlich seit Wochen weit abgeschlagen hinter der Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko. «Die westlichen Unterstützer Kiews sollen dort jene zur Vernunft bringen, die aus Kriegshysterie politischen Profit schlagen wollen», sagte Russlands Aussenminister Sergej Lawrow. Der Kreml nannte das Vorgehen Kiews deshalb auch eine gezielte Provokation.

Der Konflikt der Nachbarländer dauert seit fünf Jahren. 2013 hatten Massenproteste zu einer Absetzung des pro-russischen Präsidenten Viktor Janukowitsch geführt. Die anschliessende Annexion der Halbinsel Krim durch Russland und der bis heute andauernde Krieg in der Ostukraine führten zur schwersten Krise zwischen dem Westen und Russland seit Ende des Kalten Krieges. Im Osten beschiessen sich Regierungssoldaten und von Moskau unterstützte Separatisten täglich; bislang sind mehr als 10 000 Menschen in dem Konflikt getötet worden.

Nato fordert Zurückhaltung
Die Nato-Staaten forderten Russland zu Zurückhaltung auf. «Es gibt keinerlei Rechtfertigung für den Einsatz von militärischer Gewalt gegen ukrainische Schiffe und Marinepersonal», sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg nach einer Sondersitzung der Nato-Ukraine-Kommission in Brüssel. Man rufe Russland auf, die festgesetzten ukrainischen Seeleute und Schiffe unverzüglich freizugeben.

Die Behörden auf der Halbinsel Krim teilten mit, die mehr als 20 festgehaltenen ukrainischen Matrosen würden als Grenzverletzer in Arrest genommen. Später könnten sie gegen russische Gefangene in der Ukraine ausgetauscht werden. (awp/mc/ps)

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