Wolfsburg / Stuttgart – Die Porsche AG soll möglichst noch im Herbst an die Börse gehen. Von Ende September oder Anfang Oktober an könnte ein Teil der Papiere der Sportwagen-Tochter am Finanzmarkt platziert werden, wie Volkswagen am späten Montagabend nach Beratungen des Vorstands und Aufsichtsrats mitteilte. Angestrebt wird eine Notierung in Frankfurt, vollständig umgesetzt sein könnte die Neuemission bis zum Jahresende. Diese Schritte seien «vorbehaltlich der weiteren Kapitalmarkt-Entwicklungen» geplant, hiess es.
Der Wolfsburger Konzern und die Porsche-Dachgesellschaft Porsche SE (PSE) hatten den Börsengang seit Februar geprüft. Europas grösster Autohersteller will so zusätzliche Geldquellen anzapfen, um weitere Investitionen in E-Mobilität und Digitalisierung zu bezahlen. Er erhofft sich darüber hinaus eine Wertsteigerung der ganzen VW-Gruppe.
Das Grundkapital der Porsche AG wurde bereits jeweils zur Hälfte in stimmrechtslose Vorzugsaktien und in stimmberechtigte Stammaktien aufgespalten, wie Volkswagen erklärte. Bis zu ein Viertel der Vorzüge – also in etwa ein Achtel der Gesamtanteile – sollen dann voraussichtlich in den Handel gehen. Gleichzeitig bekommt die PSE 25 Prozent plus eine Aktie der Stammpapiere, sie soll über eine Sperrminorität Einfluss auf zentrale AG-Entscheidungen behalten.
Renditeperle
Die Stuttgarter sind schon länger eine Renditeperle der Mehrmarken-Gruppe. In der Porsche AG ist das operative Geschäft mit Modellen wie dem 911er, Cayenne, Macan, Panamera und Taycan gebündelt. Die von den Familien Porsche und Piëch kontrollierte PSE hält hingegen den grössten Teil der Stimmrechte bei Volkswagen.
Beide Unternehmen hatten bereits zuvor darauf hingewiesen, dass die konkrete Umsetzung eines Porsche-AG-Börsengangs auch an passenden Marktbedingungen hänge. Insbesondere die Folgen des Krieges in der Ukraine, die weltweit sehr starke Verteuerung von Energie und neue Probleme in den Lieferketten machten die Festlegung eines geeigneten Zeitpunkts aus ihrer Sicht schwierig. Der aktuelle Beschluss markiert nun aber eine entscheidende weitere Etappe für die Pläne.
Der Grossaktionär Katar habe als drittwichtigster VW-Eigner «starkes Interesse bekundet» und könnte knapp 5 Prozent der Porsche-Vorzüge erhalten, so VW. Aber auch Privatanleger in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich, Italien und Spanien sollen zum Zuge kommen.
«Im Fall eines erfolgreichen Börsengangs wird die Volkswagen AG für Dezember 2022 eine ausserordentliche Hauptversammlung einberufen», teilte der Konzern weiter mit. Dabei solle vorgeschlagen werden, «eine Sonderdividende in einem Umfang von 49 Prozent der Brutto-Gesamterlöse aus der Platzierung der Vorzugsaktien und dem Verkauf der Stammaktien an die Aktionäre Anfang 2023 auszuschütten». Die Porsche SE ergänzte, ihr Vorstand habe mit Zustimmung des eigenen Aufsichtsrats «beschlossen, die Transaktion weiter zu verfolgen und in die nächste Phase der Vorbereitungen einzutreten».
Erwarteter Schritt
Bereits mehrfach hatte sich ein Gang aufs Börsenparkett angedeutet. Ein genauerer Plan zur Prüfung des Vorhabens war noch unter dem alten VW-Konzernchef Herbert Diess angestossen worden. Dessen seit 1. September amtierender Nachfolger Oliver Blume soll den Teil-Börsengang nun umsetzen – zusammen mit VW-Finanzvorstand Arno Antlitz, der ausserdem eine ergänzende Funktion als «Chief Operating Officer» übernimmt. Blume bleibt daneben Chef der Porsche AG.
VW baut darauf, Extra-Mittel für Investitionen in die Kasse zu bekommen. Eine hohe zweistellige Milliardensumme für die nächsten fünf Jahre ist schon verplant, wenn man allein die Projekte für Elektroautos, Software und Vernetzungsplattformen berücksichtigt.
Bei der Bewertung zum geplanten Handelsstart der Vorzugsaktien gingen manche Analysten im Fall eines normalen Marktumfelds für die Porsche AG zuletzt von 80 bis 100 Milliarden Euro aus. Sollten die gesamte Tranche der Vorzüge und damit 12,5 Prozent des Kapitals platziert werden, entspräche das am unteren Rand dieser Spanne einem Emissionsvolumen von gut 10 Milliarden Euro.
Den Familien Porsche und Piëch wird nachgesagt, der PSE durch die Umstrukturierung der Anteile und den Börsengang der AG wieder mehr direkten Zugriff auf den Autobauer mit ihrem Namen geben zu wollen. 2008/2009 hatte Volkswagen eine Übernahmeattacke des damaligen Porsche-Managements abwehren können. Die Niedersachsen drehten den Spiess um und schluckten ihrerseits die profitable Konzerntochter, die beiden Familien bekamen im Gegenzug die Mehrheit an dem Autoriesen.
Kritik an Vermischung von Verantwortlichkeiten
Einige Marktbeobachter hatten schon bei der Bekanntgabe der Prüfungen Kritik an einer Vermischung von Verantwortlichkeiten in der jetzt angepeilten neuen Konstruktion geäussert. So wiesen manche Investoren auf mögliche Interessenkonflikte hin, weil Blume zumindest vorläufig Porsche-Chef und Volkswagen-Konzernchef in Personalunion ist.
Ähnliche Bedenken gibt es teilweise wegen der Doppelrolle von Hans Dieter Pötsch als Aufsichtsratschef des Konzerns und Vorstandschef der Porsche-Holding. Der frühere VW-Finanzvorstand ist eng mit dem Porsche-/Piëch-Clan vernetzt. Volkswagen hatte erklärt, man habe aber angemessene Regeln für eine solide «Corporate Governance» getroffen.
Übergreifendes Ziel des Börsengangs ist es ausserdem, neben mehr Finanzkraft für Porsche selbst den Wert der Volkswagen AG zu erhöhen. Im Vergleich zum US-Rivalen Tesla dümpelten die deutschen Hersteller längere Zeit eher im Mittelfeld vor sich hin. Viele Analysten glauben: Wird Porsche an der Börse einzeln gehandelt, könnte das Unternehmen beweglicher werden, sein Wert freier zur Entfaltung kommen – und indirekt so auch den VW-Aktien einen Schub geben.
Diess hätte Volkswagen gern in die Nähe von Tesla katapultiert gesehen. Beim grossen Wettbewerber schienen die Erwartungen teils aber schon etwas überzogen. Im Herbst 2021 war Tesla über eine Billion US-Dollar wert – VW kam Anfang der Woche auf rund 85 Milliarden Euro. (awp/mc/ps)