Porsche-Lenker Blume beerbt Volkswagen-Chef Diess – VW-Aktie fällt

Oliver Blume

Volkswagen-Konzernchef Oliver Blume. (Bild: Volkswagen)

Wolfsburg – Am Ende war es wohl doch ein Problem, ein Streit zu viel. Angeblich schrammte Herbert Diess bereits zweimal haarscharf an einem Rauswurf als VW-Konzernchef vorbei. Am Freitagabend kam die überraschende Nachricht: Der umtriebige, aber oft für seine Sprunghaftigkeit und Ruppigkeit kritisierte Vorsitzende geht. Zum 1. September soll ihm Porsche-AG-Chef Oliver Blume nachfolgen. Analysten sehen den Schritt in einer wichtigen Phase des Konzernumbaus mit gemischten Gefühlen. Die Aktien fielen zum Wochenstart als schwächster Wert im deutschen Leitindex Dax um mehr als drei Prozent.

Eine knappe Mitteilung nach einer Sitzung der Kontrolleure besiegelt das Ende der Ära Diess – fast exakt sieben Jahre, nachdem er von BMW zu den Niedersachsen gewechselt war.

Dass es passieren könnte, hatte sich angedeutet. Doch zuletzt schien das Mass voll zu sein – und für Diess ging es nicht weiter. Das legen Stimmen aus Konzernkreisen nahe, die die Entwicklung eng verfolgten. Blume stand schon als Kronprinz in der Reserve. Er gilt als hochtalentierter Manager und ist eher ein Mann der ruhigen Töne – in der Kommunikation wie in der Planung. Blume soll neben seiner Funktion an der Konzernspitze Porsche-Chef bleiben und im Wolfsburger Tagesgeschäft Hilfe von VW-Finanzchef Arno Antlitz bekommen.

Wechsel im Führungsstil?
Jenseits der fachlichen Aufgaben könnte die Personalie auch einen Wechsel im Führungsstil markieren. Diess ist in der Branche hoch angesehen. Ohne ihn – da stimmt fast jeder zu – stünde VW mit seinen Elektromodellen nicht dort, wo der grösste europäische Autobauer heute steht. Allerdings gab es zuletzt Probleme, vor allem bei der stockenden und sich nochmals deutlich verteuernden Entwicklung eigener Software.

Blume wird nach Einschätzung des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer denn auch die Softwaresparte neu ausrichten. Der Wandel der Branche zu softwarezentrierten Wagen sei für klassische Anbieter wie VW eine «Riesenherausforderung», sagte der Professor. «Das zeigt auch die Ablösung von VW-Chef (Herbert) Diess. Autobauer werden Tech-Unternehmen, wie Google , Apple , Microsoft – oder sie werden abhängig von den Software-Schwergewichten.»

Analyst Daniel Roeska von Bernstein Research sieht es ähnlich: Unter Blume hoffe man offenbar auf eine erfolgreichere Software-Strategie. Es werde aber Monate dauern, bis neue Pläne bekannt würden. Für den Branchenexperten ist es der falsche Zeitpunkt für eine Neubesetzung, während der Konzern auf ein herausforderndes Jahr 2023 zusteuere. Zudem bräuchten Volkswagen und der Sportwagenbauer Porsche AG in den kommenden Monaten jeweils eine klare Führung, während Blume nun an der Spitze beider Unternehmen stehen soll.

Experte Philippe Houchois vom Investmenthaus Jefferies sieht den Wechsel an der VW-Spitze indes als Chance. Die Unternehmensstrategie könne überdacht und mit einem ebenso versierten wie gut im Konzern verankerten Manager ein Neustart gewagt werden.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der das Land als zweitwichtigsten Eigner im Aufsichtsrat vertritt, zollte Diess Respekt. Er habe den Anstoss für wesentliche neue Vorhaben gegeben. Über Blume sagte Weil: «Ich bin zuversichtlich, dass er den Konzern mit Umsicht und Weitblick im Team mit dem Vorstand, in guter Kooperation mit dem Betriebsrat und mit sehr viel Wertschätzung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen wird.»

Schwieriges Verhältnis zwischen Diess und Betriebsrat
Aufhorchen dürfte hier mancher bei der Wertschätzung der Beschäftigten. Damit tat sich Diess – jedenfalls aus der Perspektive von Betriebsrat und etlichen Kollegen am Band – häufig eher schwer. Los ging es spätestens, als sich viele beim holprigen Anlauf der Kernmodelle Golf 8 und ID allein gelassen fühlten. Belegschaftsvertreter bemängelten eine fehlende Krisenstrategie und ständige Erhöhung des Drucks in der Fertigung. Die IG Metall sprach Diess in einem offenen Brief das Misstrauen aus.

Gewerkschaftschef Jörg Hofmann, wie Weil und Betriebsratschefin Daniela Cavallo im Präsidium, betonte, VW müsse «neben seiner technologischen Favoritenrolle auch der sozialen Vorbildrolle gerecht werden». Cavallo sagte, der Umbruch sei schwierig. VW müsse gestärkt aus ihm hervorgehen. «Unser Anspruch ist es aber ebenso, dass dabei trotz der grossen Herausforderungen Beschäftigungssicherung und Wirtschaftlichkeit gleichrangige Unternehmensziele bleiben.» (awp/mc/ps)

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