Presseschau zur Trump-Wahl: «Einmal tief durchatmen»

Presseschau zur Trump-Wahl: «Einmal tief durchatmen»
US-Präsident Donald Trump.

Bern – Einmal «durchatmen» empfiehlt ein Kommentator am Tag nach dem unerwarteten Wahlsieg Donald Trumps. Die Wahl eines politischen Unerfahrenen zum US-Präsidenten bringe zwar Ungewissheit, heisst es in vielen Zeitungen. Trump wird aber auch zugetraut, dass er überrascht.

Wohin Amerika mit Trump an der Spitze steuere, wisse niemand, schreiben am Donnerstag viele Zeitungen. «Vielleicht war der Mann nur so verrückt, solange er Präsident werden wollte. Und lässt jetzt, wo er es ist, mit sich reden», schreibt «Der Bund».

Sicher ist für das Blatt, dass Amerika mit Trump nicht am Ende der Demokratie steht. Das US-System habe Sicherungen gegen ein Überdrehen Trumps eingebaut. Der 70-Jährige werde für die staatlichen Institutionen der USA aber zum «Stresstest», schreibt die «Berner Zeitung».

Auf die «checks and balances» verweist auch die «Neue Zürcher Zeitung». Für sie lauert die grösste Gefahr in der Aussenpolitik, wo der Präsident weitgehend autonom handeln kann. «Niemand hält ihn davon ab, das amerikanische Verteidigungsversprechen gegenüber der NATO aufzukündigen oder mit Russlands Präsident Putin anzubandeln.»

«Donald Trump kann nicht einfach, wie er will», schreibt das «St. Galler Tagblatt». Trumps Verhältnis zum Kongress sei kompliziert, selbst mit einem Teil seiner eigenen Partei sei er zerstritten. Zudem stünden schon in zwei Jahren wieder Parlamentswahlen an. Auch der «Blick» weist darauf hin, dass Amerika «seinen Mächtigen immer genau auf die Finger geschaut» habe.

Kein Denker, aber schlau
Trumps Urteilskraft sei besser, als viele denken, schreibt derweil die «Weltwoche». Trump sei zwar «kein Denker», aber schlau. Zudem sei er schon immer ein Pragmatiker gewesen. «Er will Amerika wieder gross machen. Als Geschäftsmann weiss er, dass man dies nicht mit Kriegen erreicht. Mal sehen.»

Trump sei zwar «als Präsident ein Albtraum der Gefühle», schreibt der «Tages-Anzeiger». Doch es könne unter ihm auch «besser werden» für die Welt. Die USA hätten der Schweiz «in einem moralisch verbrämten Wirtschaftskrieg das Bankgeheimnis abgetrotzt» – das könne unter Trump kaum schlimmer werden. Positiv könne auch sein, dass Trump die nicht immer erfolgreiche Rolle der USA als Weltpolizist überdenken will.

«Wir wissen es nicht»
Trump sei der unberechenbarste Präsident der jüngeren US-Geschichte, schreibt die «Nordwestschweiz». Im guten Fall könne er wie einst Ronald Reagan, der auch belächelt wurde, als grosser Präsident in die Geschichte eingehen. Im schlechten Fall werde er zur Katastrophe für die Welt. «Im Moment können wir nur hoffen, dass es gut kommt.»

Wenn Amerikaner Trump mit Reagan verglichen, gehe vergessen, dass Letzterer jahrelanger Gouverneur von Kalifornien gewesen sei, bevor er ins Weisse Haus gewählt wurde, ruft die «Luzerner Zeitung» in Erinnerung. «Trump besitzt keinen solchen Erfahrungsschatz.» Niemand wisse, was er vorhabe. Vielleicht nicht einmal er selber.

«Wird Donald Trump ein guter Präsident oder ein katastrophaler? Wir wissen es nicht. Was wir aber wissen: Die Welt wird nie mehr so sein, wie sie vor ihm war», kommentiert die «Basler Zeitung». Das Blatt wertet seinen Wahlsieg als Schlag gegen die «Eliten» und rechnet damit, dass ähnliches auch in anderen Staaten passieren könnte – als nächstes vielleicht schon in Frankreich mit der Wahl der Populistin Marine Le Pen zur Staatspräsidentin.

Stresstest für die Welt
Trumps Sieg legitimiere die Hassrede und werde populistische Parteien auf der ganzen Welt befeuern, befürchtet «Le Nouvelliste». «Willkommen in der Ära des enthemmten Politspektakels.» Die Wahl Trumps sei eine «Revolution», schreibt die «Tribune de Genève». «Von heute an befindet sich die ganze Welt in einem Stresstest.» Wie es ausgehe, wisse niemand.

Mehrere Zeitungskommentatoren thematisieren auch, dass Trumps Sieg für die meisten Experten und Journalisten unerwartet kam. «Die Überraschung hängt mit unserer Blindheit zusammen», schreibt «24Heures». Die Medien hätten nicht bemerkt, wie Trump einen Teil des Volkes angesprochen habe, der sich unverstanden fühle, fügte «La Liberté» an. Für «Le Temps» hängt dies damit zusammen, dass Journalisten sich zu wenig mit solchen Schichten beschäftigen. (awp/mc/pg)

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