Gas künftig über russische Konten – Nato: Keine Entspannung
Moskau / Kiew – Auf Anordnung von Russlands Präsident Wladimir Putin müssen westliche Staaten Konten bei der Gazprombank eröffnen, um weiter russisches Gas zu bekommen. Andernfalls würden die Lieferungen eingestellt, drohte Putin am Donnerstag in Moskau an. Dazu unterzeichnete der Kremlchef ein Dekret, das an diesem Freitag in Kraft tritt. Demnach kann auf das russische Konto weiter in Euro oder Dollar eingezahlt werden. Die Gazprombank konvertiert das Geld in Rubel und überweist den Betrag dann an Gazprom. Deutschland und andere westliche Staaten pochen darauf, weiter in Euro und Dollar zu zahlen.
Die Kämpfe in der Ukraine gingen unterdessen in die sechste Woche. Nach Erkenntnissen der Nato liessen die Russen ihrer Ankündigung, Truppen zurückzuziehen, keine Taten folgen. Auch die ukrainischen Behörden berichteten ungeachtet der angekündigten militärischen Deeskalation von weiteren Kämpfen. Unabhängig überprüfen liess sich dies nicht. Unklar war auch, ob die Bemühungen Erfolg hatten, Menschen vor Hunger und Zerstörung aus der besonders hart umkämpften Hafenstadt Mariupol zu retten. Der frühere Box-Weltmeister Wladimir Klitschko warb bei einem Besuch in Berlin um Unterstützung.
Putin droht Gashahn zu kappen
Putin drohte im Staatsfernsehen damit, Lieferungen für «unfreundliche» Länder einzustellen, wenn sie sich nicht an die neuen Regeln hielten. «Wir beschäftigen uns nicht mit Wohltätigkeit.» Zuvor hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow bestätigt, dass Deutschland wohl weiter wie bisher in Euro für Gaslieferungen bezahlen könne. Italiens Ministerpräsident Mario Draghi sagte nach einem Telefonat mit Putin, auch alle anderen Staaten in Europa könnten ihre Rechnung weiter in Euro oder Dollar begleichen.
Putin hatte vor einer Woche angekündigt, russisches Gas an «unfreundliche» Staaten künftig nur noch gegen Rubel zu verkaufen. Begründet hatte Moskau sein Vorgehen mit einem angeblichen «Wirtschaftskrieg» des Westens. Putin begründete seine Rubel-Initiative damit, «dass unter Verstoss gegen die Normen des internationalen Rechts die Devisenreserven der Bank Russlands von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union eingefroren wurden». Damit hatte die EU auf Russlands Krieg gegen die Ukraine reagiert.
G7 lehnen Rubel-Zahlungen strikte ab
Die Gruppe der G7-Wirtschaftsmächte, darunter Deutschland, sowie die Europäische Union insgesamt lehnen Zahlungen in Rubel jedoch strikt ab. Die Bundesregierung warf Russland Vertragsbruch vor. Am Mittwochabend telefonierte Putin mit Kanzler Olaf Scholz – und sicherte dabei laut Kreml bereits zu, dass die Umstellung nicht zu Nachteilen für Deutschland führen solle.
Auch vielen Experten scheint unklar, was Putin genau bezweckt. Nach Einschätzung westlicher Geheimdienste wurde der russische Präsident teils falsch über die Lage im Krieg informiert. Putins Berater hätten Angst, ihm die Wahrheit zu sagen, sagte der Chef der britischen Geheimdienstbehörde GCHQ, Jeremy Fleming. Zuvor hatte sich die US-Regierung ähnlich geäussert. Der Kreml wies das zurück.
Die Bundesnetzagentur teilte mit, die Gasversorgung in Deutschland sei stabil. Es seien keine Beeinträchtigungen der Lieferungen zu verzeichnen, hiess es in einem neuen Lagebericht. So liefere die Pipeline Nord Stream 1 von Russland nach Deutschland auf einem hohem Niveau. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte am Mittwoch die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen, die erste von drei Stufen.
Kämpfe bei Kiew gehen weiter
Ungeachtet der angekündigten militärischen Deeskalation bei Kiew gingen die Kämpfe in der Nähe der Hauptstadt nach ukrainischer Darstellung weiter. Einheiten der Nationalgarde hätten seit Mittwoch Artillerie, Raketensysteme und mehrere Dutzend Panzerfahrzeuge der russischen Truppen zerstört, teilte das Innenministerium mit. Die Angaben liessen sich nicht unabhängig überprüfen.
In Verhandlungen mit der Ukraine über ein Ende des Kriegs hatte Russland angekündigt, die Kampfhandlungen bei Kiew und Tschernihiw deutlich zurückzufahren. Nach Erkenntnissen der US-Regierung zog Russland binnen 24 Stunden etwa ein Fünftel seiner Truppen aus der Umgebung der Hauptstadt ab. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in einer Videobotschaft, die russischen Truppen zögen nicht freiwillig ab, sondern würden von der ukrainischen Armee verdrängt.
Die Nato sah keine Signale der Entspannung. «Nach unseren Geheimdienstinformationen ziehen sich russische Einheiten nicht zurück, sondern positionieren sich neu», sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel. Russland versuche, seine Truppen neu zu gruppieren, Nachschub zu organisieren und die Offensive im Donbass zu verstärken. Gleichzeitig werde der Druck auf die Hauptstadt Kiew und andere Städte aufrechterhalten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte Putin auf, den Krieg einzustellen. «Gemeinsam fordern wir Präsident Putin auf, jetzt einem Waffenstillstand zuzustimmen, humanitäre Versorgung zu ermöglichen und wirkliche Friedensverhandlungen zu führen», sagte Scholz bei einem Treffen mit dem österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer. Der frühere Box-Weltmeister Wladimir Klitschko traf sich unter anderem mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). (awp/mc/ps)