Putin stichelt gegen den Westen
Hanoi – Der russische Präsident Wladimir Putin hat Südkorea im Fall von Waffenlieferungen an die Ukraine mit schweren Konsequenzen gedroht. Solche Lieferungen an Kiew wären ein «schwerer Fehler», sagte der Kremlchef am Donnerstag bei einem Besuch in Vietnam. «Wenn das passiert, dann werden wir entsprechende Entscheidungen treffen, die der heutigen Führung von Südkorea kaum gefallen werden.»
Kritik aus Seoul an russisch-nordkoreanischem Pakt
Die Regierung in Seoul hatte zuvor das Abkommen über eine strategische Partnerschaft zwischen Moskau und Pjöngjang als Verstoss gegen UN-Sanktionen verurteilt und angedeutet, ihre bisher ablehnende Haltung zu Waffenlieferungen für Kiew zu überdenken.
Das von Machthaber Kim Jong Un regierte Nordkorea ist wegen seines Atomwaffenprogramms mit weitreichenden UN-Sanktionen und Einfuhrverboten belegt, die unter anderem auch den Handel mit Waffen oder die Weitergabe von Militärtechnologien an das Land betreffen. Bei einem Staatsbesuch in Pjöngjang am Mittwoch hatte Putin mit Kim ein neues Partnerschaftsabkommen unterzeichnet, das auch einen gegenseitigen Beistand im Kriegsfall vorsieht.
Putin nannte Bedenken Seouls bei einer Pressekonferenz in Hanoi unbegründet. Südkorea hätte von dem Partnerschafts- und Beistandsabkommen zwischen Russland und Nordkorea nichts zu befürchten, da der Pakt nur greife, wenn eins der beiden Länder von einem Drittstaat angegriffen würde. Auch in der Ukraine werde er keine nordkoreanischen Soldaten einsetzen, versicherte Putin.
Allerdings drohte der 71-Jährige damit, Präzisionswaffen an Nordkorea zu liefern. Dies sei eine mögliche Antwort auf die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine, sagte er. Der Westen tue so, als ob er trotz seiner Waffenlieferungen nicht mit Russland kämpfe. Die Nutzung seiner Waffen durch Kiew kontrolliere er angeblich nicht. Im Gegenzug könne aber auch Russland seine Rüstungsgüter in andere Weltregionen verfrachten und sich nicht weiter darum kümmern, wie diese angewendet würden, sagte Putin.
Putin sieht westliche Bedrohung
Daneben äusserte sich Putin auch zu möglichen Änderungen der russischen Atomdoktrin. Er begründete solche Pläne mit einer angeblich niedrigeren Hemmschwelle westlicher Staaten beim Einsatz von Atomwaffen. «Speziell werden atomare Bomben mit geringer Sprengkraft entwickelt», sagte der Kremlchef. Westliche Experten sähen in der Nutzung solch sogenannter Mini-Nukes nichts Schlimmes, wie Russland erkannt habe. «Damit hängt auch meine Erklärung darüber zusammen, dass wir über mögliche Veränderungen in unserer Strategie nachdenken.»
Im Zuge des russischen Kriegs gegen die Ukraine kamen aus Moskau immer wieder Drohungen über einen möglichen Einsatz von Atomwaffen bei einer Einmischung des Westens in den Konflikt. Die bisher gültige russische Atomdoktrin besagt, dass Moskau nur in zwei Fällen Atomwaffen verwenden darf: Bei einem atomaren Angriff auf Russland oder wenn ein Angriff mit konventionellen Waffen die Existenz des Landes gefährdet. Die vage Definition hat einige Hardliner dazu bewegt, den Kreml zu einer Verschärfung der Doktrin zu drängen, um den Westen zu nötigen, die Warnungen ernster zu nehmen.
USA verzögern Rüstungslieferungen an andere Länder
Zumindest Washington will sich von den Warnungen nicht einschüchtern lassen. Die US-Regierung will die Lieferung bestimmter Rüstungsgüter an andere Länder aufschieben, um zunächst die Luftverteidigung der Ukraine zu stärken. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, sagte, angesichts der eiligen Bedürfnisse Kiews habe die US-Regierung die «schwierige, aber notwendige» Entscheidung getroffen, bestimmte geplante Rüstungsverkäufe an andere Länder, insbesondere von Raketen für die Luftabwehrsysteme vom Typ Patriot und Nasams, zu verschieben. Diese sollten stattdessen zunächst an die Ukraine gehen, die dringend zusätzliche Luftverteidigungskapazitäten brauche.
Die Flugabwehr soll neben den Stellungen auch das Energiesystem des Landes schützen. Nach mehr als zwei Jahren Krieg und einem systematischen russischen Beschuss der Energieanlagen vor allem mit Drohnen und Raketen ist nach offiziellen Angaben inzwischen rund die Hälfte der Stromkapazitäten weggebrochen. Die Behörden haben daher strenge Rationierungen beim Energieverbrauch vorgenommen und in einigen Bereichen stundenlange tägliche Stromsperren verordnet. Befürchtet wird, dass die Lage sich bei Anbruch der kühlen und dunklen Jahreszeit noch einmal drastisch verschlechtern könnte.
Selenskyj will für Energiesicherheit Solaranlagen fördern
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will zur Stabilisierung des schwer getroffenen Energienetzes den Aufbau von Solaranlagen massiv vorantreiben. «Die Regierung wird angewiesen, unverzüglich ein Programm zur Förderung der Installation von Solarstromerzeugung und Energiespeicherung in der Ukraine vorzulegen», sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Bürger, die eine Solaranlage einbauen, sollen demnach einen zinslosen Kredit bekommen können. Darüber hinaus sei bei einer Sitzung mit Regierung, Energiewirtschaft und Generalstab beschlossen worden, Energieanlagen baulich zu schützen vor den ständigen russischen Angriffen aus der Luft.
Russland meldet ukrainische Drohnenangriffe auf Öl-Raffinerie
Nach einem nächtlichen mutmasslich ukrainischen Drohnenangriff brach nach offiziellen Angaben auf dem Gelände einer Ölraffinerie im südrussischem Gebiet Krasnodar ein Brand aus. Zwei Menschen seien dabei verletzt worden, der Brand aber bereits wieder gelöscht, teilte das Krisenreaktionszentrum der Region am frühen Freitagmorgen laut staatlicher Nachrichtenagentur Tass mit. Darüber hinaus seien infolge eines massiven Drohnenangriffs auf die Region der Busbahnhof in Juschny und ein Kesselwerk in der Stadt Krasnodar beschädigt worden. Durch herabstürzende Fragmente einer Drohne seien mindestens vier Menschen verletzt worden.
Seit mehr als zwei Jahren führt Russland einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland. Mit westlicher Militärhilfe wehrt sich die Ukraine gegen die Invasion. Dabei werden auch immer wieder Ziele auf russischem Gebiet angegriffen, um den militärischen Nachschub zu verhindern oder zu erschweren. Die Zahl der Opfer und die Schäden auf russischem Gebiet stehen in keinem Verhältnis zu den massiven Zerstörungen und Tausenden Toten und Verletzten in der Ukraine. (awp/mc/ps)